(Capcom, 1989)
Fans gut gemachter Jump-and-Runs hatten es anno 1989 nicht gerade leicht. Die Flut an verfügbaren Hüpfspielen im 8-Bit-Sektor war genau so groß, wie unübersichtlich und die Entwickler überfluteten die Zocker geradezu mit einer Vielzahl von spielerisch eher mittelmäßigen Titeln. Löbliche Ausnahmen bildeten hier vor allem Nintendos Vorzeige-Klempner Mario oder Sega, mit seinem Hüpfknirps Alex Kidd. Grafisch und soundtechnisch musste man bei diesen Spielen aber gerade im Vergleich zur Spielhalle klare Abstriche machen. Die Hardware Power von NES und Co war eben noch stark eingeschränkt. Dieser Zustand änderte sich allerdings schlagartig, als der japanische Elektronikriese NEC seinen 8-/16-Bit-Zwitter PC Engine auf den Markt brachte, denn gleich einer der Start-Titel für diese Konsole (nämlich Son Son 2) sollte den Mitbewerbern vor allem technisch zeigen, wo der berühmte Hammer hängt.
Gut gegen Böse
Aber bevor ich ins Detail gehe, will ich euch erst mal mit der im japanischen Mittelalter angesiedelten Hintergrundgeschichte vertraut machen: Die Einwohner des idyllischen Städtchens Sanzou werden von garstigen Dämonen terrorisiert und bitten unseren Helden Songoku (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Hauptcharakter der Anime- /Manga-Serie Dragonball) verzweifelt um Hilfe. Bewaffnet mit einem Kampfstab macht sich der tapfere Knirps kurzerhand auf, um die Stadt von den Widersachern zu säubern und schlussendlich gegen den anfangs noch namenlosen Oberbösewicht Gyumau anzutreten und ihn in seine Schranken zu weisen… Na gut, einen Innovationspreis haben sich die Mannen von Capcom mit dieser Story nicht verdient, aber Ende der 80er ging es in diesem Genre eben eher darum, spielerisch zu überzeugen, als eine grandiose Geschichte zu erzählen.
Technik die begeistert
Rein technisch war 1989 hierzulande noch Hausmannskost angesagt (zumindest was Computer- und Videospiele anging). Ich beispielsweise vergnügte mich in diesen Tagen noch mit meinem geliebten C64 und war von den aus heutiger Sicht geradezu spartanischen Fähigkeiten des Brotkastens durchaus angetan. Hätte ich zu dieser Zeit bereits von der Existenz der PC Engine gewusst, wäre ich wahrscheinlich vor Neid erblasst. Was die kleine, weiße Konsole an Farben und Details darstellen konnte, war zu dieser Zeit wirklich einzigartig. 32 von 512 Farben und eine Auflösung von 320 X 224 Pixeln waren eine klare Ansage. Da konnten auch die erfolgreichen Konkurrenten NES und Master System nicht mithalten.
Hüpfte Mario und Co noch durch karge Pixelwelten, so erstrahlte Son Son 2 in einem ganz anderen Licht. Die Spielfiguren waren verhältnismässig gross und farbenfroh und auch die Hintergründe wurden sehr detailliert gestaltet. Diese waren nicht etwa einfarbig, wie es in diesen Tagen noch üblich war, sondern der Spieler durfte sich an fantasievollen japanischen Gebäuden und Landschaften erfreuen. Die Animationen der Spielfiguren erinnern stark an japanische Zeichentrickfilme und passen somit wunderbar zum quirligen Spielgeschehen. Betrachtet man sich da den eher durchschnittlichen Vorgänger auf dem NES (bzw. Famicom wie Nintendos Konsole in Japan hieß ), so sind die Parallelen nicht nur optisch äusserst gering. Musste man auf dem NES noch durch geradlinige und vor allem triste Levels hüpfen, so war der Nachfolger Son Son 2 doch aus einem ganz anderem Holz geschnitzt.
Musikalisch bekommt ihr durchaus eingängige japanische Klänge zu hören, aber leider steht der Sound dem ansonsten sehr hohen Niveau des Titels doch ein bisschen nach. Dies ist in Anbetracht des geringen Speicherplatzes auf einer HU-Card (wie die scheckkartengroßen Cartridges der PC Engine hießen) aber nachvollziehbar. Genervt hat mich die 8-Bit Beschallung zumindest nie.
Spielerische Bundesliga
Aber nicht nur grafisch kann Son Son 2 auf der ganzen Linie überzeugen, auch spieltechnisch bot Capcom gehobenes Bundesliga-Niveau. Die Kollisionsabfrage ist astrein und ihr habt eure Spielfigur jederzeit voll unter Kontrolle. Songoku lässt sich locker und extrem akkurat durch die Landschaften von Sanzou steuern und dank der Unterstützung der Dauerfeuer-Funktion des PC-Engine-Pads, verfügt ihr mit eurem Kampfstab über eine sehr effektive Waffe.
Besiegte Gegner hinterlassen netterweise Früchte bzw. Credits, die ihr in den regelmäßig auftauchenden Shops gegen nützliche Extras, wie Continues, Zaubertränke oder Power-Handschuhe eintauschen könnt. Dank dieser zusätzlichen Fähigkeiten, die ihr im weiteren Spiel ganz unterschiedlich einsetzen dürft, gesellt sich sogar noch eine leichte RPG-Note zum Spiel. Natürlich lässt sich auch eure Standardwaffe gehörig aufmöbeln, was sich vor allem in der Reichweite und Durchschlagskraft bemerkbar macht. Diese zusätzliche Power benötigt ihr auch zwingend, wenn ihr gegen die immer schwerer zu bezwingenden Zwischen- und Endgegner antreten müsst. Aber egal, ob schwertschwingende Tiger, tumbe Nashörner oder mit Äxten um sich werfende Berserker. Mit der richtigen Taktik streicht jeder Dämon irgendwann die Segel und hinterlässt euch zahlreiche Credits und neue Lebensenergie.
Kritik und Schwachstellen
Das perfekte Spiel gibt es bekanntermassen nicht und so hat auch Son Son 2 die eine oder andere Macke. Das grösste Manko ist meiner Meinung nach das Fehlen von Rücksetzpunkten. Dank des knackigen Schwierigkeitsgrads lehrt sich eure Energieanzeige schneller als euch lieb ist, und beginnt ihr nach dem Verlust eures Bildschirmlebens neu, so startet ihr immer ganz von Beginn des jeweiligen Levels. Das ist vor allem ärgerlich, wenn ihr mal wieder gegen einen der heftigen Endgegner den Kürzeren zieht, und glaubt bloß nicht, dass euch das Spiel freiwillig Continues spendiert. Habt ihr euch nicht vorsorglich in einem der Shops ein entsprechendes Wiederspielrecht gekauft, ist nach eurem Ableben definitiv Schluss und ihr dürft ganz von Vorne anfangen.
Der Schwierigkeitsgrad ist wirklich alles andere als niedrig, aber den Frustlevel eines Mega Man oder Ghouls´n Ghosts erreicht Son Son 2 nie. Um gegen den Oberbösewicht am Ende der insgesamt sieben Level anzutreten, dürft ihr euch im Laufe des Spiels aber nur sehr wenige Fehler leisten und ihr solltet die Angriffsmuster der Gegner genauestens kennen. Ansonsten ist für euch (wie zum Beispiel bei mir) spätestens ab dem vierten Level Schluss, denn hier erscheinen bereis besiegte Endgegner erneut als reguläre Zwischengegner, die ihr zwingend besiegen müsst, um an den Schlüssel für die Tür zum nächsten Spielabschnitt zu gelangen. Son Son 2 ist demnach wirklich kein Fall für Gelegenheitsspieler.
Fazit: Habt ihr euch erst mal an den knackigen Schwierigkeitsgrad gewöhnt, so erwartet euch ein wirklich wunderschönes und gut ausbalanciertes Plattformspiel im Stile von Wonderboy. Die farbenfrohen Sprites und die einwandfreie Spielbarkeit wissen auch heute noch zu gefallen und bringen mich immer wieder dazu, Son Son 2 in meine PC Engine zu schieben. Gerade in Anbetracht des frühen Erscheinungsdatum des Titels ist es wirklich beachtlich, was Capcom hier an Spielspaß auf die kleine HuCard gepackt hat (bei einem Speicherplatz von gerade mal 8 MBit). Mir gefallen vor allem die abgefahrenen Bossgegner und das japanophile Setting von Son Son 2. Pofis dürften in gerade mal zwei Stunden durch sein. Spieler mit eher durchschnittlichen Skills (zu denen ich mich zähle) werden aber wesentlich länger brauchen, um das Spiel endgültig zu meistern. Besitzer einer PC Engine dürfen bedenkenlos zugreifen.