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Interview mit Joachim Hesse

Wie bei unseren Interviews so üblich, würde ich zu Beginn gerne ein bisschen in deiner Vergangenheit wühlen. Was war der Auslöser für deine anhaltende Liebe zu Computer- und Videospielen?

JH: Elektronische Spiele haben mich fasziniert, seit ich als Knirps einen Pong-Klon in Aktion auf dem Fernseher erleben durfte. Fernsehen zum selber steuern – wie geil war das denn? Danach habe ich alles konsumiert, was mir zu dem Thema in die Finger kam: Atari VCS bei Freunden, C64-Diskettenspiele, Spielautomaten auf der Kirmes und so weiter. Eine Liebe, die nie aufgehört hat. Irgendwann stand dann auch mein erster eigener Computer im Kinderzimmer.

Wie du selbst sagst, wurde dir bereits vor dem Ende deines Studiums klar, dass du zukünftig als Spielejournalist arbeiten möchtest. War das deine erste Berufswahl, oder bist du doch eher zufällig in diese Branche „abgedriftet“?

JH: Na ja, klar wurde mir das schon früher, aber ich konnte das erst zu diesem Zeitpunkt in die Tat umsetzen. Vorhergegangen ist eine längere aus Interessen und gesellschaftlichen Zwängen geprägte Odyssee durch die deutsche Arbeitswelt. Ich habe zum Beispiel auch eine Ausbildung als Industriekaufmann abgeschlossen. Dass ich nachher als Spiele-Journalist angefangen habe, hatte weniger mit Zufall aber natürlich auch mit Glück zu tun. Es gab damals deutlich weniger Möglichkeiten in der Branche zu arbeiten als heute und es braucht immer jemand, der dir die Chance dazu gibt.

Du gehörst der zweiten bzw. dritten Generation von Redakteuren an, die hierzulande über elektronische Spiele berichten. Hast du vor deiner beruflichen Karriere ebenfalls gerne in Zeitschriften geschmökert und falls ja, welche waren das?

JH: Aber sicher. Ich habe alles gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte. ALLES. Schließlich gar es zu Beginn dieser Leidenschaft auch noch kein Internet und ich war auf bedrucktes Papier für Informationen angewiesen. Jugendliche können sich das heute sicher kaum noch vorstellen. Power Play, Joker, Maniac, Video Games, Mega Fun … ich kenne sie wirklich alle, inklusive diverser Magazine aus England. Meine erste Liebe gehört allerdings ASM, das hat man sicher auch am Grad des Irrsinns der späteren PC Action gemerkt. In der ASM findet sich dann auch mein erster Text, für den ich bezahlt wurde. Lange bevor ich das zu meinem Beruf machen konnte. So, jetzt kannst du suchen, in welcher Ausgabe das war … 😉 (Anmerkung der Red.: Die exakte Ausgabe konnte ich leider nicht ausfindig machen, es handelte sich aber um eine Komplettlösung, die 1990 in der ASM veröffentlicht wurde)

Du hast viele Jahre lang als Redakteur bei den Zeitschriften PC Games und PC Action gearbeitet. Was hat dich speziell an PC-Spielen gereizt bzw. hast du in dieser Zeit auch mal heimlich auf einer Konsole gezockt?

JH: Es gab natürlich auch vor meiner Zeit bei Computec PC-Spiele, die mich gefesselt haben. Day of the Tentacle, Wing Commander 3, Command & Conquer, Doom. Aber mehr gespielt habe ich tatsächlich auf Konsolen. Da war ich auch damals das männliche Videospiele-Pendant zur allwissenden Müllhalde für meine Kollegen. Ist ganz praktisch, wenn man die Sachen weiß, die nicht auf Wikipedia stehen. Beruflich habe ich also alle PC-Spiele der damaligen Zeit erlebt, während ich mich zu Hause auf Konsole „weitergebildet“ habe. Später habe ich dann auch eine Konsolen- und Retrorubrik in die PC Action geschmuggelt.

Nachdem die Auflagen der ehemals erfolgreichen Zeitschriften drastisch zurückgingen, hast auch du (zumindest temporär) den Weg in die Selbstständigkeit gewagt. Seitdem bist du hauptsächlich Online unterwegs. Wie hast du diesen Wechsel damals empfunden und was hat sich an deinem Arbeitsalltag geändert?

JH: Den Weg in die Selbstständigkeit habe ich gewagt, weil mein damaliger Arbeitgeber Geld sparen wollte und Mitarbeiter entlassen hat. Als freiberuflicher Autor zu arbeiten erschien mir eine gute Idee. Ich habe damals auch noch sehr viel für „Print“ geschrieben, unter anderem für IGM, Gamepro, M! Games, Gamestar oder auch die englische Retro Gamer (was mich besonders gefreut hat). Online war da bereits mehr als nur auf dem Vormarsch. Das hatten zwar auch die meisten Zeitschriftenverlage erkannt, konnten aber ihre Arbeitsabläufe und Inhalte nicht schnell genug anpassen. Die Verlage haben damals viel Geld mit den Heften verdient, mit Online noch nicht. So hat man jahrelang wie erstarrt dabei zugesehen, wie immer mehr Leser in Richtung online abgewandert sind, hatte aber gleichzeitig zu viel Angst, an dem in den 80er- und 90er-Jahren geborenen Konzept der Print-Hefte etwas grundlegend zu ändern und damit die verbleibenden Käufer zu verprellen. Einen Markt für Print wird es aus meiner Sicht auch in Zukunft geben, nur nicht mehr als das meinungsbildende Leitmedium der früheren Jahre, sondern als Nischenprodukt. Ich hoffe, dass die Verlage da in gutrecherchierte und aufgearbeitete Artikel von Profis investieren. Online befindet sich inzwischen an einem ähnlichen Scheideweg wie Print vor einigen Jahren. Der Spiele-Journalismus der 2000er-Jahre existiert in dieser Form nicht mehr. Ich hoffe, dass die Online-Publizisten weniger Fehler begehen als die Print-Verlage von einst.

Heute kennt man dich vor allem als Chefredakteur beim Spieleportal Spieletipps.de. Unboxing-Videos, Podcasts und der Dialog mit den Fans in den sozialen Medien spielen da eine große Rolle. Wie schwer ist es heutzutage, sich am hart umkämpften Markt behaupten zu können?

JH: Immerhin kennst du mich und die Inhalte, die ich produziere, insofern scheine ich nicht alles falsch gemacht haben. Wenn ich überlege, welche Menschen zu meiner Anfangszeit in der Branche bekannt waren, dann sind davon heute die meisten nicht mehr in dem Bereich aktiv. Den Leserkontakt haben wir damals bei der PC Action schon mit unseren Leserbriefen zelebriert. Facebook, Twitter und Youtube sind die nächste Stufe. Mir machen Social Media und der Kontakt zu Zuschauern und Lesern Freude, obwohl es auch viele Hohlbirnen gibt, die früher vielleicht an der Hürde gescheitert wären, eine Briefmarke für ihren Beitrag anzulecken. Zum Glück gibt es schöne und befriedigende Momente. Der Markt heute ist hart. Sowohl für Marken als auch für Einzelpersonen. Falls du davon leben willst, musst du Leistung bringen. Permanent. Die Anforderungen sind entsprechend hoch. Ein moderner Redakteur organisiert viele Dinge, ein Youtuber zeichnet massenweise Videos auf und wirbt dafür. Wer den Stress aushält, wird damit belohnt, seine Zeit mit einem der schönsten Themen der Welt verbringen zu dürfen.

Abschließend würde es mich interessieren, ob du auch heute noch gerne klassische Games zockst. Immerhin schreibst du ja auch Artikel für die Retro-Zeitschrift Return.

JH: Oh, du kennst meine Tagebuch-Rubrik in der Return. Das ist eine Herzensangelegenheit, so wie damals das Heft “Classic Gaming” für Computec oder auch die neue Folge unserer Kochsendung von damals (spieletipps.de). Doch zurück zum Thema: Auf jeden Fall spiele ich die Oldies noch! Erst am Wochenende habe ich wieder mit Freunden ein paar Klassiker auf dem Mega Drive, Master System und Super Nintendo durchgespielt. Heute beglückte mich The Punisher für NES in der Post. Pixelgrafiken verlieren für mich nie ihren Reiz.

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