(George Batchelor, 2017)
Far from Noise erschien bereits 2017 für PC, PS4 und iOS und wurde im Alleingang von George Batchelor entwickelt. Durchaus kein Unbekannter in der Indie-Szene. So veröffentlichte er bereits For I, the Moon (eine Unterhaltung zwischen dem Mond und einem Astronaut) und Hot Date (ein Mops-Dating-Simulator). Seine Spiele zeichnen sich vor allem durch minimalistische Animationen und dem Dialog als Erzählform aus. Durch individuelle Entscheidungen kann der Spieler hier den Dialogverlauf beeinflussen, ganz wie bei Visual Novels üblich. Herausstechend sind aber vor allem die ausgefallenen Settings, wie eben auch bei Far from Noise.
Autos, die auf Klippen hängen und sprechende Hirsche
Stellt euch folgendes Szenario vor: Nach einem Unfall mit einem alten Auto (einer Ente) hängt ihr an einer hohen Klippe am Meer fest. Ihr könnt weder vorwärts, noch rückwärts manövrieren, während euer Auto gefährlich auf der Kante nach oben und unten wippt. Irgendwo zwischen Leben und Tod. Nun seid ihr also gezwungen, darüber nachzudenken, wie ihr dieser brenzligen Situation entfliehen könnt, fernab von jeder Hilfe. Da schießen euch Gedanken über die Einsamkeit, den Tod und die eigene Zukunft in den Kopf… Doch lange bleibt ihr nicht allein mit euren Gedanken. Ein sprechender Hirsch taucht auf und verwickelt die namenlose Protagonistin in einen Dialog. Abgefahren genug?
Das große Thema des Spiels ist die Begegnung Mensch mit der Natur. Dabei wird die Natur keineswegs als feindselig dargestellt. Weder der Hirsch als Gesprächspartner, noch die anderen Tiere, die euch während des Games begegnen werden, wirken bedrohlich. Auch die Umwelt ist äußerst angenehm. So beginnt das Spiel mit einem hübschen Sonnenuntergang, der die Nacht in Rot- und Lilatönen erleuchtet. Stress oder Panik tritt also trotz der prekären Situation zu keiner Zeit auf.
Weniger ist mehr
Far from Noise kennt tatsächlich nur dieses eine Setting, nämlich die Klippe, an der der Wagen hängt. Ihr schaut also fast immer aus der Vogelperspektive auf das Auto und bekommt so die Protagonistin nie direkt zu Gesicht. Mehr benötigt ihr aber auch nicht, da ihr das ganze Spiel über nur Monologe bzw. Dialoge lest und daraufhin entscheidet, was ihr beispielsweise in einem Gespräch erwidert oder wie ihr auf Ereignisse reagiert. Dabei könnt ihr sorglos alle möglichen Optionen ausprobieren und ihr müsst zu keiner Zeit befürchten zu sterben. Für einige Spieler klingt das vielleicht etwas langweilig, für mich ist das aber Entspannung pur. Das Gameplay beschränkt sich auf das Klicken auf Sprechblasen. Dank der interessanten Handlung wird man als Spieler schnell in das Geschehen hineingezogen. Ganz wie bei einem spannenden Buch.
Nicht nur das Gameplay, die Animation und der Grafikstil sind minimalistisch, nein auch der Soundtrack wird nur an vereinzelten Stellen des Games gezielt genutzt, um besondere Momente hervorzuheben. Vielmehr werden Geräusche aus der Natur, wie Wind, Wellen und Vogelgesang dazu genutzt, beruhigend auf den Spieler einzuwirken und nochmals zu unterstreichen, dass man sich fernab der Zivilisation befindet. Der Fokus liegt auf der Klangkulisse eurer Umwelt. Manchmal gibt es sogar Momente, in denen rein gar nichts passiert und ihr einfach nur abwartet, was als nächstes geschieht. Ein sehr ungewöhnliches Spielerlebnis, angesichts der zumeist bunten und lauten Videospielewelt.
Durch die verschiedenen Dialogoptionen ist ein durchaus hoher Wiederspielwert gegeben, da die Gespräche je nach eurer Entscheidung dramatisch unterschiedlich verlaufen. Ob die brenzlige Situation letztendlich positiv oder negativ ausgeht, möchte ich aus Spoilergründen natürlich nicht verraten. Das müsst ihr schon selbst herausfinden. Ein Durchlauf dauert, je nach Spieltempo, gerade mal zwischen 1,5 und 2 Stunden. Auch für ein Indie Game ist das ein durchaus kurzes Spielerlebnis. Ich würde deshalb mindestens 2 oder 3 Durchläufe empfehlen, um das volle Spektrum der Story zu erleben.
Fazit: Far from Noise ist eine durch und durch tiefenentspannende Erfahrung, die mich als Spieler zur Entschleunigung und zum Nachdenken gezwungen hat. Mir persönlich hat das Game sehr gut gefallen und ich fand das langsame Tempo durchaus stimmungsvoll. Ein paar Kritikpunkte gibt es aber aus meiner Sicht doch, denn die winzige Schrift am unteren Bildschirmrand (in der PS4 Version) ist wirklich schlecht lesbar und es kommt hinzu, dass der Entwickler auf eine deutsche Übersetzung verzichtet hat. Durchschnittliche Englischkenntnisse sollten aber genügen, um der Handlung folgen zu können. Trotzdem etwas schade, gerade bei einem Spiel, das primär Wert auf Dialoge setzt. Eines dürfte zudem klar geworden sein: Falls ihr auf Daueraction und aufwendige Technik steht, solltet ihr einen großen Bogen um das Spiel machen. Ansonsten empfehle ich Far from Noise allen Gamern, die auch mal in Ruhe ihren Kopf beim Spielen einschalten möchten, oder aber Fans von Autoren wie John Muir, Ralph Waldo Emerson oder Henry David Thoreau, die sich dem transzendenten Schreiben gewidmet haben. Genau diese Schriftsteller nahm sich der Entwickler George Batchelor nämlich als Vorbild für seine tiefgehenden Dialoge im Spiel.