Konsole Next Generation RPG Spieletests

Demon Gaze

(Kadokawa Games, 2014)

Seit einigen Jahren wird der Videospielmarkt regelrecht von Games überschwemmt, die sich unverkennbar an Spielen aus längst vergangenen Zeiten orientieren. Retro ist immer noch cool! Besonders Indy-Entwickler bedienen sich bekanntermaßen nur zu gern bei Klassikern. Grafisch aufpoliert und mit neuen Features angereichert, wissen viele dieser totgeglaubten Spielkonzepte auch heute noch zu überzeugen. Äußerst beliebt sind dabei nach wie vor Jump-and-Runs und klassische Rollenspiele. Dies dachte sich wohl auch der Publisher NIS America und veröffentlichte 2014 mit Demon Gaze einen weiteren Dungeon Crawler, exklusiv für die PlayStation Vita.

Die Hintergrundgeschichte von Demon Gaze ist genauso ausgelutscht, wie das Genre alt ist. Machen wir´s deshalb also kurz: Euer Held Oz erwacht in einem finsteren Verlies und hat (selbstverständlich) keinerlei Erinnerungen an sein früheres Leben. Zum Nachdenken bleibt ihm aber sowieso keine Zeit, denn im nächsten Augenblick wird er auch schon von einem angriffslustigen Dämon überrascht. Im Gegensatz zu den Soldaten um ihn herum überlebt er den darauffolgenden Kampf knapp und nach einem kurzen Moment der Ohnmacht, findet sich Oz in einem Hotel wieder, in dem ihn Fran (die Besitzerin der Herberge) nach und nach mit seinen Fähigkeiten vertraut macht. Euer Protagonist ist ein sogenannter Demon Gazer, was bedeutet, dass ihr die Seelen von besiegten Dämonen dank eures magischen Auges einfangen und sie fortan für euch kämpfen lassen könnt. So weit, so abgedroschen.

Avengers Assemble!

Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen dieser Art zieht ihr nicht sofort mit vier bis fünf Charakteren (die ihr euch selbst zusammenbastelt) durch die Dungeons. In Demon Gaze seid ihr zunächst ganz auf euch allein gestellt und müsst zuerst einen Batzen Gold anhäufen, um bei Fran ein Hotelzimmer für weitere Recken anzumieten. Ihr wählt dann zwischen fünf verschiedenen Kategorien (Elf, Mensch, Zwerg, Migumyi oder Ney) und sieben verschiedenen Klassen (Krieger, Paladin, Samurai, Wizard, Heiler, Ranger, Assassin).

Nur eure eigenen Fähigkeiten lassen sich nicht mehr ändern. Möchtet ihr lieber als Frau ins Gefecht ziehen, ist das durchaus möglich. Im weiteren Spielverlauf werdet ihr in diesem Fall aber dennoch als Mann angesprochen(?). Die individuelle Möglichkeit aufzuleveln bietet das Spiel bei jedem Stufenanstieg. Lediglich bei den Dämonen, deren Fähigkeiten ihr im Spielverlauf hinzugewinnt, ist dies nicht möglich. Später dürft ihr dann die Skills eurer besiegten Gegner durch sogenannte Artefakte

Gameplay

Demon Gaze ist ein Dungeon Crawler der alten Schule. Das heißt, ihr erkundet in der Ego-Perspektive verschiedene Verliese und trefft dabei auf zufällig erscheinende Gegner. Was das Spiel von anderen Games seiner Art unterscheidet, sind die sogenannten „Circles“, auf die ihr in den Arealen stoßt. Besiegte Gegner hinterlassen spezielle “Gems”, die ihr an den Circles im Vorfeld von kommenden Kämpfen setzen könnt. Somit gelangt ihr an neue Rüstungen, Waffen und seltene Gegenstände. Da sich die Gegner weitestgehend an eure momentanen Fähigkeiten anpassen, ist die richtige Ausrüstung das A und O. Es macht beispielsweise einen großen Unterschied, ob ihr mit einer Stufe E- oder A-Waffe auf eure Gegner einkloppt. Im weiteren Spielverlauf schaltet ihr die sogenannte Ether-Funktion frei, mit deren Hilfe ihr ergatterte Waffen und Rüstungen, die ihr nicht mehr benötigt, einstampfen und gegen Credits eintauschen könnt. Somit lassen sich eure Waffen und Ausrüstungen zusätzlich “aufpimpen”. Das mag im ersten Moment kompliziert klingen, ist es aber nicht.

Es bleibt ganz euch überlassen, ob ihr beispielsweise einen Paladin mit einer zweihändigen Axt ausstattet, die ziemlich viel austeilen kann, dafür aber defensiv Nachteile hat. Ihr könnt euren Recken aber auch mit einem Schild und einem normalen Schwert bewaffnen, um seine Verteidigungswerte zu erhöhen. Mit diesem Setup fügt ihr euren Gegnern aber natürlich weniger Schaden zu. Welche Waffen und Schilde ihr in welchen der beiden Slots steckt, will also stets gut überlegt sein. Auch die Taktik ist enorm wichtig. So könnt ihr beispielsweise nicht mit einem Kurzschwert aus der zweiten Reihe angreifen. Wenn ihr dann nicht schnell auf euer zweites Set wechselt, in das ihr hoffentlich eine Fernkampfwaffe gepackt habt, ist euer Mitstreiter absolut handlungsunfähig. Flexibel solltet ihr also schon sein, denn es kommt im Spiel häufig vor, dass die Gegner eure Reihen durcheinander bringen. Das passende Notfallequipment im Gepäck ist also absolut essenziell.

In jedem Dungeon müsst ihr eine bestimmte Anzahl Circles einnehmen, um schlussendlich dem jeweiligen Boss-Dämon gegenüber zu treten. Aber Vorsicht: Manchmal begegnet euch der Obermotz schon etwas früher, ohne allerdings bereits zu seiner Hochform aufzulaufen. Besiegt ihr ihn bereits vorzeitig, flüchtet er kurzerhand und erscheint erneut zum finalen Showdown. Habt ihr ihn dann endgültig besiegt, schließt er sich euch nach seiner Freischaltung bei Fran dauerhaft an.

Die Fähigkeiten der Dämonen kommen euch auf dem Schlachtfeld zugute. So sorgt beispielsweise der Dämon Chronos dafür, dass ihr durch vergiftete Gebiete laufen könnt, ohne Schaden zu nehmen. Daher empfiehlt es sich, ihn in unbekannten Arealen immer mit im Gepäck zu haben. Damit ihr jederzeit den Überblick über die erforschten Gebiete behaltet, wird automatisch eine Karte mit gezeichnet, in der Teleporter und Treppen automatisch markiert werden. Auf dieser Map dürft ihr dann einfach bereits erforschte Gebiete markieren, zu denen ihr erneut reisen wollt, und schon stiefelt eure Gruppe automatisch los. Natürlich könnt ihr eure Gruppe aber auch via Steuerkreuz durch die verwinkelten Areale manövrieren.

Technik-Check

Demon Gaze besticht durch seinen liebevoll gezeichneten Hintergründe und seine Detailverliebtheit. Die Gegner sind allerdings nicht animiert, sondern begegnen euch nur als Standbilder. Auch beim Einsatz von Spezialfähigkeiten müsst ihr auf ein Animationsfeuerwerk im Stile von Final Fantasy verzichten. Das Ganze erinnert mehr an eine Visual Noval, als an ein Rollenspiel. Erwähnenswert sind auch die zahlreichen, anzüglichen Anspielungen in den Dialogen. Im gesamten Storyverlauf wird überhaupt sehr viel geflirtet und nackte Haut gezeigt. Besonders Anime-Fans dürften hier also auf ihre Kosten kommen. Alle anderen könnte die japanophile Präsentation aber etwas überfordern.

Musikalisch wird genretypische Standardkost geboten. Lasst es mich diplomatisch ausdrücken: Das Spielgeschehen wird adäquat untermalt. Gänsehautmomente sucht man allerdings vergeblich. Atmosphärisch wirken dagegen das Kampfgeschrei eurer Gegner und die zum Teil (auf Englisch) eingesprochenen Dialoge in den Zwischensequenzen.

Hart aber fair?

Ihr wählt zwischen vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden, was allerdings kaum ins Gewicht fällt. Lediglich die „Droprate“ für seltene Gems und Ausrüstungen verändert sich marginal. Das Balancing ist ziemlich unausgewogen. Schnelles Aufleveln ist bei der Konfrontation mit normalen Gegnern kaum vonnöten. Daher habt ihr die Dungeons in der Regel ziemlich flott durchkämmt. Bei den Dämonen-Bossen verhält es sich allerdings entgegengesetzt. Ohne die richtige Taktik kriegt ihr die Obermotze selbst mit hohem Skill-Level nicht klein. Ihr werdet bestimmt mehrere Versuche brauchen, um herauszufinden, wie ihr eure Truppe am besten aufstellt, um gegen die Dämonen zu bestehen.

Die Spielzeit beläuft sich auf ca. 30 bis 40 Stunden für die Hauptstory. Danach erwarten euch noch ein Zusatz-Abschnitt und ein finales Dungeon. Die zusätzlichen Inhalte weisen, im Gegensatz zu den normalen Dungeons, mit etwas knackigere Rätsel auf, die häufiger euren Orientierungssinn auf die Probe stellen. Im letzten Labyrinth müsst ihr euch auf einen Boss-Rush der Sonderklasse gefasst machen, der ohne Weapon-, Armor- und Artefakte-Farming nicht zu bewältigen ist. Deshalb dürft ihr noch mal gute 10 Stunden Spielzeit drauf packen, falls ihr wirklich alles sehen wollt.

Fazit: Fans von Dungeon Crawlern werden mit Demon Gaze, als „kleinen“ Leckerbissen für Zwischendurch, sicherlich ihren Spaß haben. Für Neueinsteiger in´s Genre halte ich das Spiel aber eher für ungeeignet. Gerade die Komplexität bei der Zusammenstellung von Waffen, Rüstungen und Artefakten, sowie deren „Skillung“ erfordert einiges an Übung und Einarbeitung. Hinzu kommt der unausgewogene Schwierigkeitsgrad der Standardgegner und der Bosse. Ohne eine gewisse Frustresistenz werden Viele schnell die Lust verlieren. Für Genreveteranen könnte diese Herausforderung allerdings gerade den Reiz ausmachen. Die freie Wahl der Charakterklassen und ihrer speziellen Fähigkeiten bieten für fast jede Spielweise genug Entfaltungsmöglichkeit. Die Story ist leider kaum erwähnenswert und das, obwohl man einige der Hotelbewohner schnell ins Herz schließt. Mehr als den typischen Kampf Gut-gegen-Böse darf man hier aber leider nicht erwarten. Auch technisch wäre angesichts der Fähigkeiten der Vita sicherlich mehr drin gewesen. Ob ihr über die dezent sexistische Darstellungen der weiblichen Figuren hinwegsehen könnt, bleibt euch selbst überlassen. Ein gewisses Faible für die Anime- und Manga-Kultur solltet ihr aber auf jeden Fall mitbringen. DG beweist einmal mehr, dass klassische Dungeon Crawler noch längst nicht zum alten Eisen gehören. Trotz der angesprochenen Schwächen fand ich den Ausflug in die Welt von DG unterhaltsam. Mein Forscherdrang wurde auf jeden Fall geweckt. Mein Prädikat lautet deshalb (eingeschränkt) Empfehlenswert.

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