Vor 32 Jahren erblickte das erste Dragon-Quest-Abenteuer auf dem Famicom das Licht der Welt. Seitdem erfreut sich die Reihe (zunächst in Japan und später auch in westlichen Gefilden) enormer Beliebtheit. Anders als die Final-Fantasy-Serie, die gameplaytechnisch immer versucht, mit der Zeit zu gehen, bleibt Dragon Quest auch heute noch seinen alten 8-Bit-Wurzeln treu. Wer ein Dragon-Quest-Spiel in die Konsole einlegt, weiß ganz genau, was er bekommt: rundenbasierte Kämpfe, altvertraute Monster (Slime!), orchestrale Dragon-Quest-Musik, ein stummer Protagonist, mitunter skurrile Charaktere und das preisgekrönte Charakterdesign von „Dragon Ball“-Schöpfer Akira Toriyama. Eine „echte“ Dragon-Quest-Episode macht keine Experimente und ist und bleibt ein klassisches JRPG – und genau so wollen es auch die Fans rund um den Globus. Selbst in punkto Story kommt die Reihe traditionell in altbewährter und eingestaubter Gut-gegen-Böse-Manier daher. Ein paar nette, meist aber vorhersehbare Storywendungen inklusive. Trotz all dieser Klischees ist und bleibt Dragon Quest ein Kult-Phänomen, das in all der Zeit nichts von seinem Charme und Wortwitz verloren hat, denn zumeist sind es die skurrilen Charaktere, die jedes Dragon Quest lebendig und zu einem außergewöhnlichen Abenteuer machen. Als Dragon-Quest-LiebhaberIn hat man stets das Gefühl, in eine wohlvertraute Welt zurückzukehren, um ein neues Abenteuer zu erleben.
Nach zahlreichen Spin-Offs, die sich vom Gameplay her an erfolgreiche Spiele wie Pokemon (Dragon Quest: Monsters), Minecraft (Dragon Quest Builders) und Titel der Musou-Reihe a´ la Hyrule Warriors (Dragon Quest Heroes) orientieren, sowie der Remake-Welle von Dragon Quest IV – VI und Dragon Quest IX auf dem Nintendo DS bzw. 3DS, erschien im September 2018 endlich auch der neueste Teil der Dragon Quest-Reihe in Deutschland (Episode XI). Das Spiel räumte binnen kürzester Zeit Höchstwertungen in der Presse und bei den Fans und ich kann mich da nur anschliessen. Gerade jetzt fesselt mich der neueste Teil an die PS4 und schon in den ersten Spielstunden hat mich der DQ-Virus wieder voll erwischt.
Man kann sich aber schon fragen, warum ein Spiel, das seit über 30 Jahren in punkto Gameplay kaum, bis gar keine Neuerungen bietet, immer noch zu den beliebtesten RPG-Spielreihen der Welt zählt. Zu den Gründen darf wild spekuliert werden, weshalb das so ist, wo doch gerade heutzutage das Augenmerk auf abwechslungsreiches Gameplay und eine innovative Story gelegt wird. Zum einen mag das daran liegen, dass eine so langlebige Serie vor allem unter den älteren Gamern einen nostalgischen Effekt hat, zum anderen auch daran, dass ein gut funktionierendes System nicht krampfhaft neu erfunden werden muss, weil das System selbst geschätzt und geliebt wird. Schließlich erfreuen sich Spiele, die an altbewährtem Gameplay anknüpfen, nach wie vor großer Beliebtheit: man denke dabei nur mal an den Dungeon Crawler im Pen & Paper-Stil Etrian Odyssey (2007), das demnächst mit Etrian Odyssey Nexus in die finale, letzte Runde gehen wird. Vor allem im Indie-Bereich wird immer wieder auf Altbewährtes gesetzt; sei es rein optisch mit Pixel-Optik oder in Bezug auf klassische Gameplay-Mechaniken. So kann es schon mal vorkommen, dass eine Bauernhof-Simulation im 16-Bit-Look namens Stardew Valley AAA-Titel wie The Division und XCOM2 in den Verkaufscharts den Rang abläuft. Ich finde es schön, dass kleine Spiele, mit geringem Budget, so etwas schaffen können.
Eine so langlebige und erfolgreiche Videospielreihe wie Dragon Quest profitiert von dieser Retro-Nostalgie. Aber Square Enix versucht auch immer wieder neue Märkte zu erschließen. Mit den Dragon Quest-Spin-Offs Dragon Quest Builders (2018), Dragon Quest Heroes (2005) und Dragon Quest Monsters (2000) wurde die Reihe einem noch breiterem Publikum bekannt und konnte neue Fans hinzugewinnen. Während sich in punkto Gameplay bei der Hauptreihe in 30 Jahren nicht viel, bis gar nichts getan hat, gab es mit Dragon Quest Online (2017) Versuche, die weltweit verstreuten Fans gemeinsam ein altbewährtes Dragon-Quest-Abenteuer bestreiten zu lassen. Allerdings – welch Überraschung! – mit mäßigem Erfolg: das Spiel erschien somit leider nie in westlichen Gefilden. Der gemeine DQ-Spieler liebt eben seine Single-Player-Kampagne.
Selbstverständlich hat sich optisch seit den späten 80er-Jahren einiges getan, wenn auch – das muss man zugeben – im JRPG-Bereich generell keine Meilensteine erwartet werden dürfen. So ist das bereits erwähnte Charakterdesign von Akira Toriyama aus dem Dragon-Quest-Universum nicht mehr wegzudenken. Für die wohlbekannte Musik, die Fans wie mich gleich nach Start des Spiels strammstehen lässt, sorgt seit je her der Komponist Kōichi Sugiyama. Die Entwickler gingen in technischer Hinsicht immer mit der Zeit, ohne dabei die klassischen Wurzeln der Serie zu vergessen.
Abschließend möchte ich festhalten, dass das, was uns immer wieder in die neuesten Mario- oder Link-Abenteuer stürzen lässt, genau das ist, was JRPG-Fans zu Dragon Quest greifen lässt, wobei vor allem Dragon Quest meiner Meinung nach noch einen Tick traditioneller verankert ist, als Nintendos Superhelden.
Wer überhaupt keinen Bezug zu Retrogames hat, wird mit diesen sich stets treu bleibenden Spielen nicht viel anzufangen wissen. Wer aber, wie ich, auch im 21. Jahrhundert auf klassische Levelsysteme und ein rundenbasiertes Kampfsystem steht, bei dem man sich mitten in einem Bossfight erstmal einen Kaffee holen kann, um die eigene Taktik in aller Ruhe zu überdenken, wird bei jeder neuen Release-Ankündigung feuchte Augen bekommen. Für mich ist Dragon Quest wie das Heimkommen nach einem anstrengenden Arbeitstag.