(Factor 5 / Rainbow Arts, 1993)
Nicht viele Videospiele aus Deutschen Landen haben es jemals geschafft, auch International höchste Anerkennung zu erlangen, und eine dieser glorreichen Ausnahmen, möchten wir euch diesmal in epischer Breite vorstellen. Ein Spiel, das bis heute eine loyale Fangemeinde hat und seinerzeit in sämtlichen Fachmagazinen Bestnoten einheimsen konnte. Die Rede ist von Turrican 3 – Payment Day bzw. Mega Turrican, wie die Umsetzung für Segas 16-Bit-System hieß.
Bereits die beiden Vorgänger Turrican und Turrican 2 ( u.a. für C64, Amiga und Atari ST) waren kleine Action Meisterwerke, die die Hardware der jeweiligen Spielmaschine gnadenlos ausreizte und gerade der erste Teil gilt bis heute zu Recht, als einer der besten C64-Titel überhaupt. Auch die zweite Episode zeigte der damaligen Konkurrenz eindrucksvoll (dann vor allem auf dem Amiga), was findige Programmierer aus den Grafik- bzw. Sound-Chips herauskitzeln konnten.
Trotzdem war zunächst sehr lange unklar, ob es überhaupt einen dritten Turrican Teil geben würde. Schuld daran war nicht zuletzt die blühende Raubkopiererszene auf dem Heimcomputer Markt, die (nicht nur) der Turrican-Reihe den wirklich großen, finanziellen Erfolg verwehrte. Deshalb wurde zunächst offiziell lediglich an einer Mega Drive-Version der Fortsetzung gearbeitet (Mega Turrican). Eine Amiga-Umsetzung wurde vom Entwickler Studio Factor 5 anfangs vehement abgestritten. Kurze Zeit darauf wurde dann aber doch verkündet, dass auch eine Amiga-Version erscheinen wird (der Aufschrei der fanatischen Fans wäre riesig gewesen). Noch überraschender war es dann aber, dass die Amiga-Version schlussendlich fast ein Jahr vor Mega Turrican auf den Markt geworfen wurde (1993). Aus heutiger Sicht eine etwas kuriose Marketing-Strategie.
Wer braucht schon eine Story?
Jetzt schnallt euch aber an, für eine der wohl originellsten Hintergrundgeschichten, seit es Videospiele gibt 😉 Wir schreiben das Jahr 21xx. Die dunklen Mächte der „Machine“ haben sich nach Jahren des Friedens erhoben, um Tod und Sklaverei über die Galaxie zu bringen (wer denkt hier gerade an die die Borg aus Star Trek?). Nach zahlreichen Feldzügen gegen die extraterrestrischen Invasoren ist nur noch die Elitetruppe des Schlachtschiffs USS Freedome Force übrig geblieben, um sich der Übermacht der Angreifer in den Weg zu stellen. In der Rolle des Anführers der Erdbewohner Bren Mcguire steigt Ihr in euren Turrican Kampfanzug um den Borg..äääh der Machine die Schaltkreise aus dem Blechschädel zu ballern (…bla bla bla) um schlussendlich eine Prinzessin (oder so ähnlich) zu befreien, deren Hilfeschreie ihr vernommen habt.
Klingt nach einer 08/15 Sci-Fi-Story, oder? Blendet man diese aber mal für einen Augenblick aus, fällt auf, dass das Anime Intro durchaus nett gemacht ist, auch wenn der Grafikstil und das Design des Anführers der Maschinen Horde vor allem Comicfans irgendwie bekannt vorkommen dürfte (Galactus lässt grüssen). Sobald das Intro über den Bildschirm geflimmert ist und euch der orchestrale Sound von „Soundmagier“ Chris Hülsbeck um die Ohren schmettert, möchte man sofort zum Competition Pro Stick (Achtung – Schleichwerbung!) greifen und in die virtuelle Schlacht ziehen.
Am Gameplay selbst hat sich im Vergleich zu den Vorgängern wenig geändert. Wie gewohnt stürmt ihr in eurem silbernen Kampfanzug durch die Levels und ballert in bester Run-and-Gun-Manier alles zu Klump, was sich euch in den Weg stellt. Sporadisch eingestreute Hüpf- und Schwimmeinlagen sorgen dafür, dass an manchen Stellen auch etwas Geschicklichkeit gefragt ist. Neben den Standard Wummen, wie Laser oder Multishot, könnt ihr zusätzlich auch zielsuchende Projektile abfeuern. Sollte es mal ganz brenzlig werden, stehen euch zudem wieder nützliche Smartbombs (in begrenzter Anzahl) zur Verfügung, die den Bildschirm kurzzeitig von allen Gegnern befreien. Auch das aus Teil 1 und 2 bekannte „Rad des Todes“ (Samus Aran aus Metroid lässt grüssen), in das ihr euch auf Knopfdruck verwandeln könnt, gehört wieder zum Repertoire. In diesem Zustand lasst ihr euch durch den Level-Abschnitt rollen und vernichtet mit den hinterlassenen Streubomben sämtliche Gegner, die euren Weg kreuzen.
Alle Levels haben ein teilweise knackiges Zeitlimit und wer zuviel Zeit damit verbringt, ständig auf die Suche nach versteckten Goodies und Diamanten zu gehen, verliert definitiv schnell wieder eines seiner gerade gesammelten Extraleben. Damit aber auch Turrican-Neulinge die Chance haben das Ende des Spiels zu sehen, gibt es vier verschiedene Schwierigkeitsgrade. Frusterlebnisse wie bei Mega Man sollten euch also erspart bleiben. Allerdings dürfte der Schwierigkeitsgrad „Leicht“ bzw. „Normal“ für halbwegs geübte Gamer (die einen Joystick von einer Senfgurke unterscheiden können) definitiv zu einfach sein. Auf „Hard“ wird es schon interessanter und wer eine echte Herausforderung sucht, sollte Turrican 3 gleich auf „Maniac“ spielen. Spätestens dann ist wirklich Schluss mit Lustig, denn hier gibt es im ganzen Spiel kein einziges Extraleben abzugreifen.
Habt ihr eure Wumme dann ordentlich aufgepowert, sorgt Ihr zunächst einmal im Labor der bösen „Maschinen“ nach rustikaler Art für Frieden. Dabei bekommt Ihr es mit Selbstschussanlagen, Kampfrobotern oder allerhand Alien-Kreaturen, die aus Ihren Reagenzbehältern springen und euch nach dem Leben trachten, zu tun. Danach wirds feucht – Im zweiten Level hüpft Ihr zunächst über rostige Plattformen, weicht Wasserfällen die von der Decke rauschen aus und schiesst Zitteraale und Krabben ab, die aus allen Rohren auf euch schiessen. Schließlich geht es dann aber nur noch schwimmend weiter und unter Wasser warten dann auch noch Kraken und angriffslustige Muscheln auf euch, die euch mit Pfeilen beschießen. Am Ende dieses Abschnitts lauert ein Riesen Oktopus auf euch, dem Ihr kurzerhand die Tentakel wegballern müsst um weiter zu kommen. Puuh, viel Zeit zum Durchatmen bleibt einem bei Turrican 3 wirklich nicht.
Später geht es dann weiter in luftige Höhen, wo Ihr versuchen müsst, über Stahlträger von einem Luftgleiter zum nächsten zu springen (ein eher kurzer Abschnitt). Wer hier nicht auf ein gutes Timing seiner Sprünge achtet oder sich nicht genau einprägt, auf welchen der Stahlträger er als nächstes springen muss, verliert schnell ein paar seiner Pixelleben. Dieser Level beeindruckt vor allem durch „Parallax-Scrolling“ auf mehreren Ebenen und ist schlicht und einfach wunderschön anzusehen.
Auf dem Schrottplatz trefft ihr dann auf einen alten Bekannten. Hier geben sich unter anderem die mechanische Rieseneisenfaust (ein Zwischengegner aus Teil 1) oder etwas später ein mitgenommener Kampfroboter, dessen ramponierter Zustand wohl noch aus dem letzten Duell in Teil 2 herrührt, ein Stelldichein. Grafisch zwar eher etwas trist, aber eine nette Geste für alle Fans der Serie. Schließlich gelangt Ihr in eine außerirdische Umgebung, welche wirklich 1:1 aus Ridley Scotts Alien Film stammen könnte. Hier gilt es vor allem den fiesen „Face-Huggern“ und den ausgewachsenen Aliens auszuweichen, welche vom Laufstil witzigerweise eher an einen deutschen Schäferhund, als an ein Monster erinnern.
Es ist nicht alles Gold was glänzt
Aber auch bei einem Meilenstein wie Turrican 3 ist nicht alles perfekt: Einige Spielabschnitte fallen designtechnisch etwas ab (z.B. das schwarze Level mit den schleimig, grünen Laufwegen). Mich nerven zudem auch die holprigen Hangel-Einlagen, mit dem Plasmaseil (besonders mit einem Joystick und nur einem Feuerbutton) und der übertriebene Umfang einiger Levels. Um diese Abschnitte erfolgreich zu absolvieren, braucht man teilweise ewig, was in Anbetracht der sich ständig wiederholenden Gegner-Typen schon mal etwas monoton werden kann. Außerdem fällt der ansonsten wirklich hervorragende Soundtrack streckenweise ein bisschen ab und das Spiel wirkt fast schon beliebig. Irgendwie hat man halt bei den Vorgängern alles schon einmal gesehen. Zum Schluss dürft ihr euch aber noch mal auf einen großen Knall freuen. Die furiosen Bosskämpfe gegen eine fiese Alien-Königin und natürlich den Anführer der „Maschinen Aliens“ höchstpersönlich, heizen euch richtig ein. Diese Endgegner werden auch Profis einiges abverlangen und euch keine Sekunde zur Ruhe kommen lassen.
Grafik- und Sound Check
Wie nicht anders zu erwarten war, holt auch Turrican 3 grafisch sowohl aus dem Mega Drive, als auch aus dem Amiga alles heraus, was die Hardware hergibt. Gerade für Mega Drive Verhältnisse ist die Grafikpracht wirklich ein absolutes Highlight. Pfeilschnelles, ruckelfreies Scrolling und das trotz der Unmenge an Gegnern, die sich auf dem Bildschirm tummeln. Dank der 64 Farben Palette wirkt die Optik zudem noch etwas farbenfroher, als auf dem Amiga. Auch die Hintergrundanimationen sind bei Mega Turrican um einiges hübscher, als beim Amiga Pendant. Die Programmierer haben es sogar geschafft, ein paar nette (Pseudo) 3D-Effekte einzubauen. Aber auch die Amiga Version ist nicht von schlechten Eltern. Vielleicht reizt Turrican 3 den Amiga aufgrund der schwächeren Hardware-Voraussetzungen sogar noch etwas besser aus, aus das beim Mega Drive der Fall ist.
Beim Sound wiederum hat die Amiga Version klar die Nase vorn. Der erneut überragende Sound-/FX-Teppich, den Chris Hülsbeck höchstpersönlich aus den Soundchips des Amigas zaubert, ist (bis auf die oben erwähnten Aussetzer) wieder mal einzigartig. Ich kann euch nur empfehlen, die Soundausgänge eures Amigas an eine ordentliche Sound-Anlage anzuschließen. Es lohnt sich!
Chris Hülsbeck
Die präzise Steuerung (eine der großen Stärken der Turrican-Serie) ist wie eh und je über alle Zweifel erhaben. Einen guten Joystick oder Joypad (am besten mit Dauerfeuerunterstützung) und mindestens zwei Feuerbuttons vorausgesetzt, punktet Turrican mit einer grandiosen Spielbarkeit. Nur das bereits erwähnte, neu eingeführte Plasmaseil hat manchmal so seine Tücken, denn einerseits bringen die Geschicklichkeitseinlagen spielerische Abwechslung ins Gameplay, aber andererseits geht dadurch der Spielfluss ein bisschen verloren. Naja, wie gesagt, Geschmackssache eben.
Versionsunterschiede
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist Turrican ein technisches Meisterwerk, für die damalige Zeit und auch das Gamedesign brauchte sich hinter der Konkurrenz nicht zu verstecken. Wie Factor 5 es aber geschafft hat, beim Amiga das komplette Spiel auf eine läppische 880 KB Diskette zu quetschen, ist einfach sensationell. Lästiges Disketten-Wechseln entfällt somit glücklicherweise und die Ladezeiten sind angenehm kurz, was dem Spielfluss absolut zu Gute kommt. Das Game läuft sogar auf jedem handelsüblichen Amiga, mit gerade mal 512 KB RAM. Das Scrolling ist selbst auf einem Amiga 500 butterweich und auf einem Amiga 1200 gehören dann auch das teilweise auftretende Spritflackern und die gelegentlichen
Ruckler der Geschichte an. Die Mega Drive- und Amiga-Version unterscheiden sich spielerisch nur marginal und sind nahezu identisch, aber bei Mega Turrican läuft die Action teilweise schon so flott ab, dass einem die Amiga Version im Vergleich (egal wie schnell euer Amiga ist) fast schon etwas behäbig vorkommt. Einzig die Soundqualität fällt auf dem Mega Drive naturgemäß etwas ab, die Musik ziemlich blechern daherkommt. Besitzer von beiden Systemen, müssen sich wohl oder übel entscheiden, was ihnen wichtiger ist. Mehr Tempo und buntere Sprites oder die fetzigere Musikuntermalung.
Game Over?
Leider Gottes markiert der dritte Teil der Serie das bisherige Ende der Turrican Ära. Da Factor 5 nach Turrican 3 ausschließlich damit beschäftigt war, Star Wars Lizenz-Titel für Lucasarts zu produzieren (und nicht die schlechtesten, wie ich hier anmwerken möchte) wurde die Turrican Serie seitdem leider nicht mehr weitergeführt. Gerüchteweise war zwar immer mal wieder ein Nachfolger geplant und sogar auf der Homepage von Factor 5 konnte man unter den aktuellen Projekten stets einen Hinweis auf eine Fortsetzung finden, aber spätestens nach der Insolvenz des Entwicklerstudios in den USA war das Ende von Turrican besiegelt. Wii Besitzer können sich die Mega Drive Version zumindest noch als Download besorgen und als kleiner Trost erschien vor einigen Jahren ein exzellenter Turrican-Clone, namens Hurrican (Download Sektion). Wer übrigens ein Turrican-ähnliches Spielgefühl in 3D erleben will, sollte aktuell mal einen Blick auf Segas Adrenalin Spektakel Vanquish werfen (PS3, Xbox 360).
Fazit: Mit Turrican 3 bzw. Mega Turrican hat Factor 5 noch einmal den erwarteten Hit abgeliefert, auf den die Fans der Reihe gehofft hatten. Schade ist nur, dass mit diesem Teil die Serie vorerst ein jähes, wenn auch sehr würdiges Ende fand. Für mich bleibt Turrican 3 auch trotz der angesprochenen Schönheitsfehler einer der unterhaltsamsten Action Titel, der jemals erschienen ist. Ob wirklich noch mal eine offizielle Fortsetzung kommen wird ist ungewiss, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Von meiner Seite aus gibts natürlich an dieser Stelle die verdienten 5 von 5 Laserblastern.