Action Konsole Neo Geo Spieletests

Metal Slug 3

(SNK, 2000)

Kann ein einziges Videospiel 500,- EUR Wert sein? Jeder halbwegs vernünftige Mensch würde diese Frage vermutlich mit “NEIN!” beantworten, “AUF KEINEN FALL!”. Das hätte ich wahrscheinlich selbst auch gesagt. Als im Jahr 2000 allerdings die Cartoon-Knallerei Metal Slug 3 für das Neo Geo erschien, musste ich meine Meinung schlagartig ändern.

Ich muss gestehen, dass meine Begeisterung in diesem Jahr für das Neo Geo ziemlich eingeschlafen war. Jahrelang hatte ich mir kein einziges Modul für SNKs Edelkonsole mehr gekauft und dabei die einmalige Gelegenheit verpasst, heute nahezu unbezahlbare Perlen vom Schlage eines Metal Slug 1, Super Sidekicks 4 oder Kizuna Encounter meiner Sammlung hinzuzufügen. Zu groß war die Verlockung, die von den Next-Gen-Konsolen PlayStation, Saturn oder N64, mit Ihren damals revolutionären 3D-Fähigkeiten ausging.

Aber eines schönen Tages fiel mir beim Zeitschriftenhändler die Ausgabe 08/2000 der MAN!AC (heute M!Games) in die Hände. Beim Durchstöbern stieß ich plötzlich auf einen Bericht zum dritten Teil der fabelhaften Run-and-Gun-Reihe Metal Slug und was soll ich sagen? Alleine schon die Screenshots des Testberichts ließen mir den Sabber im Munde zusammenlaufen. Vergessen waren alle noch so schönen 3D-Welten. Ich las den Artikel dreimal nacheinander, so begeistert war ich. Auch die MAN!AC-Redakteure waren damals hin und weg von dem Game und vergaben eine satte Spielspaßwertung von 92%.

Spielhallenten-Test

Ich hätte das Spiel vor lauter Begeisterung vermutlich auch einfach so gekauft, aber bei diesem horrenden Preisen musste zumindest die letzte Gewissheit her und die konnte natürlich nur ein Test in der örtlichen (Assi-)Spielhalle, im Bahnhofsviertel bringen.

Da Spielhallen traurigerweise auch damals schon zu den aussterbenden Spezies gehörten, machte ich mich ohne große Hoffnung auf zu einer der wenigen verbliebenen Anlaufstellen. Aber das Glück des Tüchtigen war auf meiner Seite. Zwischen veralteten (aber immerhin kultigen) Automaten wie After Burner, Out Run (beide von Sega) oder der trashigen Lightgun Knallerei Mad Dog McCree (American Laser Games) versteckte sich hinter einer Mauer von drögen Glücksspielautomaten (welche hierzulande immer eine Symbiose mit Erotik-Videokabinen einzugehen scheinen) tatsächlich ein 1A Metal Slug 3 Automat! Beim ausgiebigen Testspielen bestätigte sich dann das Urteil der MAN!AC-Redakteure. Das Spiel war der erwartete Brüller!

Exotenwucher

Mein Entschluss stand daraufhin schnell fest. Ein letztes Mal wollte ich mir also noch eines der sündteuren Neo Geo Module zulegen. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Einfach in den nächsten Softwareshop gehen und das Spiel kaufen, konnte man komplett vergessen. Von allen Händlern, die jemals Neo-Geo-Module in Ihrem Sortiment hatten, war nur noch der gute, alte Maro-Versand geblieben (den es heute übrigens auch nicht mehr gibt) und der verlangte anstatt des in der Zeitschrift angegebenen Referenz-Preises von 700,- DM, sagenhafte 1.000,- DM (also 500,- €). Aber was soll man machen? Mangels Alternativen und angesichts der Qualitäten des Titels musste ich wohl oder übel diesen Wucherpreis berappen.

Und schon wenige Tage später warf der nette Briefträger einen schönen Abholschein in meinen Briefkasten. Als ich von der Ankunft des Pakets erfuhr, war natürlich an die Arbeit nicht mehr zu denken… Ich erklärte meinem Chef daraufhin, dass ich den restlichen Tag dringend frei bräuchte und nachdem dies dann auch tatsächlich klar ging, hetzte ich ohne Umwege direkt zur Post, um meinen Schatz abzuholen und da war er: MEIN SCHATZ!

Daheim angekommen öffnete ich behutsam die Verpackung und fand zwischen kiloweise Verpackungsmaterial das MS3-Modul, welches zu meiner großen Überraschung nicht aus purem Gold gefertigt war 😉

Sagenhafte 708 Megashocks (entspricht Mbits) umfasste das Modul und war damit das größte Neo-Geo-Modul, das bis zu diesem Zeitpunkt erschienen war. Dagegen wirkten die damaligen N64-Module (nicht nur vom Speicherplatz her) geradezu mickrig.

Schnell stöpselte ich das Neo Geo AES (Advanced Entertainment System) an meinen alten 1084S Commodore Monitor, und wuchtete das Monstermodul in den inzwischen etwas knirschenden Modulschacht. Den Powerschalter auf „On“ gestellt und da war er wieder: Dieser magische Neo-Geo-Effekt. Pure Action von der ersten Sekunde an. Allein schon die nicht vorhandenen (tödlichen) Ladezeiten wie bei den damaligen CD-Konsolen, machten den ganz besonderen Reiz der dekadent altmodischen Neo-Geo-Konsole aus. Plug n’ play!

2D-Bitmap Grafik in Perfektion

Was mich aber am meisten an dem Spiel begeisterte, war die bombastische Optik. Was die Grafiker von SNK hier aus dem Neo Geo herausgekitzelt haben, wurde meiner Meinung nach weder vorher noch nachher jemals wieder auf dieser Konsole erreicht. Jeder einzelne Bildschirm ist ein Kunstwerk für sich. Am liebsten möchte man sich die Screens ausdrucken und an die Wand hängen. Die comicreifen Animationen sind ebenfalls beeindruckend. Jeder Screen platz förmlich vor Details und man möchte kaum glauben, dass es sich hier tatsächlich um ein Spiel für eine “quasi” 24-Bit Konsole handelt (16-Bit Haupt- und 8-Bit Co-Prozessor) . Wenn man den Fachzeitschriften glauben schenken mochte, ist die Neo-Geo-Version (zumindest was die Optik angeht) sogar noch einen Tick detaillierter, als die 3 Jahre später erschienene PS2-Version, und das auf einer damals bereits 10 Jahre alten Heimkonsole. OK, hin und wieder geht die Framerate etwas in die Knie, aber who cares?

Mein Favorit – Der Friedhofs-Level

Im Gegensatz zu den bisherigen Metal-Slug-Teilen, die bis dahin erschienen waren, konnte Metal Slug 3 nun zusätzlich auch mit Levelabzweigungen aufwarten, die euch auf verschiedenen Wegen direkt zum Level Endgegner brachten. Diese Abzweigungen sind für sich genommen eigentlich völlig neue Stages, die sowohl grafisch als auch von den Gegnern her völlig anders gestaltet wurden. Dieses Feature verleiht dem Spiel noch heute einen ungemein hohen Wiederspielwert. Übrigens, wenn ihr im Friedhofs-Level durch die unterirdischen Eishöhlen lauft und später auf dem Rücken des Elefanten, den ihr dort findet, durch den Level stapft, dann lasst den Dickhäuter doch einfach mal die beim Autowrack liegende Autobatterie fressen und drückt dann den alternativen Feuerknopf. Eine Überraschung ist euch sicher 😉

Ein besonderes Lob verdienen bei Metal Slug 3 natürlich auch die Gegner. Serien-Bösewicht General Mordon wartet hier mit den so ziemlich abgefahrensten Gegnern der Videospielgeschichte auf, die ihr je in eurem Videospiele-Leben erlebt habt. Ich möchte wirklich gerne wissen, welche Drogen sich die Entwickler von SNK bei der Programmierung des Spiels einverleibt haben. So bekommt ihr es im Verlauf des Spiels nicht nur mit menschlichen Soldaten-Gegnern zu tun, sondern auch die gesamte Flora- und Fauna wurde offensichtlich vom garstigen General zur Mobilmachung aufgefordert. Wundert euch also nicht, wenn euch mutierte Riesenkrabben, Moskitos, Quallen und monströse Insekten nach dem Leben trachten. Und wem das noch nicht reicht, bekommt es auch noch mit jeder Menge Untoten und Außerirdischen zu tun. Auch die Zwischen- und Endgegner sind schlichtweg genial. So wurden nicht nur komplette Endgegner vergangener Teile kurzerhand zu Zwischengegnern degradiert, sondern natürlich trachten euch auch wieder haufenweise neue Obermotze nach dem Leben. Einer der genialsten Zwischengegner aller Zeiten wartet übrigens im besagten Friedhofs-Level auf euch. Das schaurig schöne Ekel-Alien, begleitet von einer spacigen Sounduntermalung, verdient meiner Meinung nach den Videospiel-Oscar für den abgefahrensten Zwischengegner aller Zeiten.

Wer gegen solch eine Übermacht antreten muß, wäre natürlich schnell aufgeschmissen, wenn er nicht auf ordentlich Feuer-Power (gemeint sind die dicken Wummen) zurückgreifen könnte. Daher bietet das umfangreiche Waffen-Repertoire, bestehend aus einem Rambo-Messer (für „Nahkampf-Schlitzereien“), diversen Handfeuerwaffen und Gewehren (u.a. ein schweres Maschinengewehr, ein Raketenwerfer, eine Laserkanone oder Bodensuchtorpedos, die sogenannten „Iron-Lizards“) ordentlich Bumms, um der Gegnerschar Herr zu werden. Als besonders druchschlagskräftig hat sich übrigens die „Sharpgun“ (die den Gegner im wahrsten Sinne des Wortes pulverisiert) und die „Supergun“ (die gleich mehrere Gegner mit einem Schuss aus dem Weg räumt) erwiesen.

Aber auch Ihr selbst könnt im Spiel im wahrsten Sinne des Wortes zur Waffe werden. Wer z.B. immer ordentlich die Lebensmittelrationen der erledigten Feinde futtert, wird irgendwann die wundersame Verwandlung seines Söldners in eine Art Kampfkoloss erleben können. In diesem Zustand sind eure Waffen dann noch mal wesentlich stärker. Kleines Manko – Ihr seid dafür etwas träger unterwegs. Eine andere Möglichkeit sich gegen die feindliche Übermacht zu erwehren, bietet euch die Verwandlung in einen Untoten. Werdet Ihr von einem Zombie durch Kontakt mit dessen Körperflüssigkeiten (man könnte es auch Kotze nennen) infiziert, verwandelt Ihr euch ebenfalls in einen schlurfenden Zombie. In diesem Zustand seid ihr gegen die Attacken der menschlichen Widersacher nahezu immun. Aber auch die untoten Gegner zerfallen nach dem Kontakt mit eurem roten Feueratem zu Staub.

Sollte euch das immer noch nicht genügen, hilft nur noch die Nutzung eines der umherstehenden, namensgebenden „Slugs“. Gemeint ist damit ein ganzes Arsenal an Fahrzeugen, wie zum Beispiel ein Battlemech, der obligatorische Kampfpanzer oder aber Kampfjets. Natürlich sind auch wieder jede Menge tierische Mitstreiter, welche mit schweren Geschützen versehen wurden, mit von der Partie. Manchmal werden euch aber auch einfach nur Hilfsmittel in Form von Gewitterwolken, die sich über den Köpfen der Gegner mit Blitz und Donner entladen, oder aber auch ein Affe mit einer Waffe (entschuldigt den schlechten Wortwitz) zur Seite gestellt.

Umsetzungen/Vorgänger/Nachfolger

Wie ihr sicher gemerkt habt, bin ich ein absoluter Fanboy der Serie. Egal, ob als AES-Game, Spielhallen-Version, Konvertierung auf PSP oder PlayStation (1+2) oder auch nur als Emulation am PC – Ich habe einfach alle Teile dieser Serie gezockt (bis auf den siebten Teil auf dem Nintendo DS). Daher kann ich mir auch ein ziemlich genaues Urteil über die Qualität der einzelnen Teile erlauben. Metal Slug 1 könnte aufgrund seiner überragenden Innovationen durchaus dazu beigetragen haben, daß das Neo Geo die schwersten Zeiten erfolgreich überstanden hat und das später noch Jahre lang Module für das Neo Geo erschienen. Metal Slug 1 (1996) für das Neo Geo war natürlich der Hammer, aber auch die PlayStation-Umsetzung, welche ich ebenfalls gespielt habe, konnte durchaus überzeugen. Bei Metal Slug 2 (1998) merkte man dann ganz deutlich, daß den Entwicklern aufgrund des Erfolgs des ersten Teils ein wesentlich größeres Budget zur Verfügung stand. Das alte SNK-Motto bigger, bader, better bringt es wohl auf einen Nenner. Kurze Zeit später folgte dann mit Metal Slug X (1999) eine Art Director’s Cut des zweiten Teils. Dezente Verbesserungen, wie das Ausmerzen von Frameraten-Einbrüchen, mehrere Waffen und Tageszeitwechselns während des Spiel überzeugten allerdings nicht alle Fans.

Die meisten Anhänger der Serie werden aber sicherlich den hier vorgestellten dritten Teil, als ihren Favoriten nennen. Metal Slug 3 (2000) bietet einfach das Beste aus allen bisherigen Teilen und Innovationen ohne Ende. Daher ist Teil 3 auch mein klarer Favorit der Original Neo-Geo-Reihe. Das Schlusslicht bildet ganz klar Metal Slug 4 von 2002 (auf Metal Slug 3D werde ich hier aus Protest bis auf die pure Erwähnung nicht weiter eingehen). Man merkt dem Spiel deutlich an, daß das neue Entwickler Team Mega King einfach noch nicht die Erfahrung hatte, in die grossen Fußstapfen von Nazca bzw. SNK zu treten, die ja kurz zuvor Konkurs anmelden mussten. Zum Glück wurde dann mit Metal Slug 5 (2003) ein sehr würdiger Nachfolger abgeliefert, welcher als vorletztes Neo Geo Modul überhaupt (danach folgte nur noch Samurai Shodown V Special) dem Neo Geo AES nach insgesamt 14 Jahren Lebensdauer einen würdigen Abschied bereitete. Metal Slug 6 (2006) war dann leider die erste Episode ohne eine Umsetzung für die Neo-Geo-Heimkonsole (erschien nur in der Spielhalle und für die PlayStation 2). Schade, gerade deswegen weil neben der gewohnt launischen Ballerei auch sehr schöne animierte Hintergründe, sowie einige sehenswerte 3D-Zoomeffekte bei den Endboss-Kämpfen hinzu kamen.

Ach ja, nur der Vollständigkeit halber und bevor ich von den Neo-Geo-Enthusiasten zu Tode gesteinigt werde: Von Teil 1-6 gibt es auch eine ganz passable Compilation für Sonys PSP und die Nintendo Wii (Metal Slug – Anthology). Bis auf die nervigen Ladepausen und die unendlichen Continuous, durchaus eine Alternative.

Sammlerträume

Die Metal Slug Reihe war seit dem ersten Teil immer auch ein Fall für Sammler, nicht zuletzt wegen der exorbitanten Anschaffungspreise der Module. Besonders der erste Teil ist Heute (vor allem die amerikanische AES Version) sehr schwer zu bekommen. Nicht selten werden bei den gängigen Online Auktionshäusern für diesen Teil Preise von 1.500,- $ und mehr erziehlt. Alles in allem kann man insbesondere bei den Anfangs-Teilen der Serie mittlerweile von einer guten Geldanlage sprechen. Aber auch die anderen Neo Geo AES Versionen bringen es auch Heute noch locker auf 200,- bis 400,- €. Aber Vorsicht! Gerade aufgrund der grossen Nachfrage sind inzwischen sehr viele MVS-Konvertierungen (umgebaute Spielhallen Module) im Umlauf, die samt Anleitung und „Snapper-Case“ kaum von den Originalen zu unterscheiden sind.

Fazit: Wer auch nur einen Funken Interesse an Action Ballereien hat, dem kann ich MS3 nur wärmstens empfehlen. Metal Slug 3 ist für mich bis heute der genialste Vertreter dieses Genres, der neben Contra III (bzw. Super Probotector) jemals erschienen ist. Wer die horrenden Preise für Neo-Geo-Cartridges scheut, dem empfehle ich zumindest die gelungene Umsetzung für die PlayStation 2, die bis auf vereinzelte Ladepausen und minimale grafische Abstriche eine 1:1 Umsetzung des Originals darstellt. Wie nicht anders zu erwarten war, kann ich deshalb nur zu einem Urteil kommen: Fünf von Fünf Iron-Lizards für Metal Slug 3!

 

 

 

 

 

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