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Kid Icarus: Uprising

  (Nintendo, 2012)

Spieleveteranen dürften sich vielleicht noch an das 8-Bit Abenteuer des kleinen Engels Pit erinnern, der einstmals auf dem NES seine Pfeile verschoss und von Plattform zu Plattform hüpfte. Der bemerkenswerteste Aspekt dieses Spiels war zum einen sein unmenschlicher Schwierigkeitsgrad, der auch Spieleprofis vor Wut ins Joypad beißen ließ. Die zweite Besonderheit war die Tatsache, dass der bereits verstorbene GameBoy-Erfinder Gunpei Yokoi für die Entwicklung des Spiels verantwortlich zeichnete und mit Pit einen Charakter erschuf, der sich trotz fehlender Unterstützung von Nintendo, bei vielen Spielern dauerhaft einprägte. Kid Icarus war in den Jahren danach lediglich eine Fortsetzung auf dem Game Boy (Kid Icarus: Von Mythen und Monstern) und ein Cameo-Auftritt im Wii-Prügler Smash Brothers Brawl vergönnt. Dies tat der Beliebtheit des quirligen Engels aber keinen Abbruch und so entschloss sich Nintendo nun folgerichtig, ein neues Kid-Icarus-Abenteuer für den Nintendo 3DS zu veröffentlichen.
Hintergrundstory

Wie schon beim Vorbild auf dem NES spielt die Handlung von Kid Icarus – Uprising erneut in der Welt der griechischen Mythologie. Dies dürfte wohl vor allem den Chefentwickler und Kirby-Erfinder Masahiro Sakurai gefreut haben, der somit die Gelegenheit hatte, sich aus einem großen Pool an Sagen und Fabelwesen zu bedienen. Die Handlung kommt deshalb auch entsprechend fantasievoll daher: Das harmonische Zusammenleben von Menschen und Göttern im Angel Land ist der schlangenköpfigen Göttin Medusa ein Dorn im Auge. Um das friedliche Stelldichein zu unterbinden, schickt sie zahlreiche Ungetüme in das Land der Engel, um Angst und Schrecken bei den Einwohnern zu verbreiten. Hier kann nur einer für Abhilfe sorgen – Pit, seines Zeichens Engel und treuester Diener der Lichtgöttin Palutena.

Spielmechanik

Abwechselnd zu Fuß und in der Luft macht sich Pit nun auf, um Medusas Terror ein Ende zu bereiten. Als Standardwaffe steht euch hier glücklicherweise nicht nur Pfeil und Bogen zur Verfügung, sondern eine wesentlich effektivere Schusswaffe, die sowohl im Nahkampf, aber auch auf großer Distanz, für verheerende Verluste im Lager eurer Gegner sorgt. Natürlich ersteht ihr im Laufe des Spiels noch jede Menge Upgrades und größere Wummen, mit denen sich der Bildschirm noch effektiver von den teuflischen Kreaturen säubern lässt.

In der Luft spielt sich Kid Icarus: Uprising wie ein klassischer Railgun-Shooter, im Stile von Sin and Punishment oder Star Fox. Ihr steuert also lediglich Pits Bildschirmposition und den Winkel eures Schusses. Die Flugrichtung lässt sich nicht ändern und wird vom Spiel vorgegeben. Die Steuerung an sich erfolgt dann etwas ungewohnt über den Analog-Stick, den linken Schulter-Button und den Stylus. Diese Variante erfordert einige Minuten Eingewöhnungszeit und ist gerade zu Beginn nicht sehr intuitiv.

Um schmerzhafte Handkrämpfe zu vermeiden, legt Nintendo netterweise einen ausklappbaren Tisch-Ständer bei, in den ihr euren 3DS einlegen könnt. Ihr braucht hierzu zwar eine ebene Auflagefläche, aber ihr habt somit die Möglichkeit, mit etwas Übung auch actionreichere Passagen des Spiels souverän zu meistern, ohne eurer linken Hand andauernd eine Ruhepause gönnen zu müssen. Mit dieser Variante geht natürlich eine gehörige Portion Mobilität verloren, aber unterwegs könnt ihr den 3DS auch wie gewohnt in der Hand halten. Der Spielkomfort lässt dann eben zu wünschen übrig.

Auf ins Getümmel

Über eins können sich Kid-Icarus-Spieler nicht beschweren – über zu wenig Action. Gleich von Beginn an tummeln sich so viele Ungetüme wie fliegende Zyklopen, geflügelte Schlangen oder Drachen auf dem Bildschirm, dass ihr gehörig ins Schwitzen kommen werdet. Im späteren Verlauf des Spiels stößt Pit sogar auf einen dunklen Doppelgänger, der euch das Leben zusätzlich schwer macht. Dank Palutenas Hilfe saust ihr (anders als im NES-Vorgänger) wendig wie ein Vogel durch die Luft und in Punkto Schnelligkeit steht ihr euren Gegnern in nichts nach.

In den Boden-Missionen rennt ihr in der klassischen Third-Person-Ansicht durch die Landschaft und setzt euch mit flinken Schüssen, sowie starken Hieben, zur Wehr. Ab und an findet ihr unterschiedliche Fahrzeuge und sogar eine Roboter-Rüstungen. Dank dieser Hilfsmittel heizt ihr euren Gegnern kurzzeitig noch kräftiger ein. Kenner der 8-Bit- Vorgänger dürften gelegentlich Déjà-vus erleben. Die Entwickler haben es sich nämlich nicht nehmen lassen, ein paar Obermotze aus den Vorgängern mit ins Spiel zu packen. Diese recycelten Gegner werden euch von Palutena in einem kurzen Intro (in pixeliger NES-Grafik) vorgestellt. Ein schönes Gimmick für Retro-Gamer.

Die meisten Gegner lassen sich durch stures Ballern und schnelles Ausweichen erledigen. Sollte das mal nicht reichen, müsst ihr in den Nahkampf-Modus wechseln, in dem ihr natürlich wesentlich angreifbarer seid, aber je nach Waffe auch kräftiger austeilen könnt. Viele Endbosse erfordern natürlich strategischeres Vorgehen und ihr müsst zuerst die Angriffspunkte suchen, an denen die Monster besonders verwundbar sind. Wie schwer euch die Angreifer das Leben machen, entscheidet ihr selbst. Zu Beginn jedes Spielabschnitts könnt ihr den Schwierigkeitsgrad individuell einstellen. Diese Entscheidung wirkt sich auf die maximale Anzahl Herzen aus, die ihr im Spiel einsammeln könnt. Mit den so ergatterten Herzen habt ihr im Anschluss die Möglichkeit, euch im Shop mit noch schlagkräftigeren Waffen einzudecken. Eine riskantere Spielweise zahlt sich also aus.

Technisches Meisterwerk

Audiovisuell wird ein Feuerwerk abgefackelt, wie ihr es auf dem Nintendo 3DS bisher wohl nicht gesehen habt. Gerade die Flug-Passagen begeistern mit wunderschönen Landschaften und Lichteffekten. Wären die Gegner am Himmel nicht so zahlreich, würde ich mich gerne ein wenig genauer im Luftraum des Engellands umsehen. Auch zu Fuß erkundet ihr herrlich detailreiche Tempel und antike Außenareale, die euren Augen vor allem im 3D-Modus schmeicheln. Auch wenn einige Häuser- und Boden-Texturen gerne noch etwas schärfer hätten ausfallen dürften, ist deutlich zu merken, dass sich die Entwickler hier wirklich ins Zeug gelegt haben.

Die orchestrale Musikuntermahlung ist bombastisch und unterstreicht das Spielgeschehen wunderbar. Die Dialoge mit der Lichtgöttin Palutena und den Charakteren, die ihr im weiteren Spielverlauf trefft, spielen sich am unteren Bildschirm ab. Da ihr bei all der Action im eigentlichen Spiel aber nur wenig Zeit haben werdet, Text-Einblendungen zu lesen, hat sich Nintendo glücklicherweise dazu entschlossen, die Gespräche komplett zu vertonen.

Gamer, die der englischen Sprache nicht oder nur bedingt mächtig sind, werden hier aber das Nachsehen haben. Alle Dialoge werden in Englisch vorgetragen und so dürften euch wichtige Tipps und Hinweise leider entgehen. Auch die teilweise witzigen Gespräche, mit eurer “Auftraggeberin” oder euren Gegnern, gehen somit an euch vorbei.

Fazit: Als Retro-Gamer habe ich mich natürlich riesig darauf gefreut, was Nintendo aus der altehrwürdigen Kid-Icarus-Reihe gemacht hat. So richtig enttäuscht wurde ich glücklicherweise nicht, aber die umständliche Steuerung via Schultertaste und Stylus hat mir den Spielspass doch gehörig vermiest. Vor allem in den Boden-Missionen sorgt diese Steuerungsmethode regelmäßig für Handkrämpfe. Die störrische Kamera, die immer wieder manuell justiert werden muss, tut da ihr Übriges. Bei längerem Spielen hilft da auch der Ständer nichts, der dem Game beigelegt wurde. Nintendo hätte hier einer konventionellen Navigation den Vorrang geben sollen. Von mir aus auch mit dem optional erhältlichen Circle Pad Pro. Dagegen steht eine fantastische Präsentation und ein beeindruckender 3D-Effekt, wie ich ihn bisher höchstens bei Resident Evil: Revelations oder Super Mario 3D Land bewundern durfte. Auch die abgedrehten Gegner und das ungewöhnliche Setting gefallen mir sehr gut. Gerade als Retro-Fan bin ich deshalb zwiegespaltener Meinung. Einerseits hat es Nintendo geschafft, das Feeling der Vorgänger einzufangen und zeitgemäß neu zu interpretieren. Andererseits wurde die Steuerung aber grandios vermurkst. Das ist wirklich sehr schade, denn das Spiel hat sich somit die sehr gute Wertung versaut, die es eigentlich verdient hätte. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht wieder zwanzig Jahre auf eine weitere Fortsetzung warten müssen. Kid Icarus hat durchaus das Zeug, das Portfolio von Nintendo auch in den nächsten Jahren zu bereichern.

Das Testmuster zu Kid Icarus: Uprising wurde Retro Videogames freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf die Bewertung des Spiels durch den Sponsor wurde nicht vorgenommen und jegliche Kommentare spiegeln ausschließlich die Meinung des Autors wider.

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