(Ubisoft, 1990 )
Könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern, in der die meisten Videospiele nach einem ganz simplen Muster abliefen? In der noch niemand das Wort „Grafikblender“ in den Mund nahm und raffinierte Storywendungen gänzlich unbekannt waren? Was haben wir damals geflucht, als wir 1985 mit Super Mario erstmals ein Schloss nach dem anderen durchforsteten, nur um uns am Schluss anhören zu müssen, dass die entführte Prinzessin doch in einem anderem Verlies gefangen gehalten wird. Ein weiterer Charakter aus dem Nintendo-Universum, nämlich Link, ist sogar heute noch vorwiegend damit beschäftigt, Prinzessin Zelda aus den Klauen des dunklen Hexenmeisters Ganondorf zu retten. Die Grundhandlung der meisten Abenteuer-Spiele dieser Zeit kann man wie folgt zusammenfassen: „Mutiger Held rettet Prinzessin, vor fiesem Bösewicht“. Auch der spielbare Zeichentrickfilm Dragon’s Lair, des amerikanischen Entwicklers und Publishers Cinematronics, machte in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Held in Strumpfhosen rettet Prinzessin vor bösem Drachen
Trotzdem war Dragon’s Lair, als es 1983 erstmals in der Spielhalle erschien, in vielerlei Hinsicht einzigartig. Der Spieler steuerte nicht wie gewohnt einen Pixelhelden via Joypad über den Bildschirm. Dragon´s Lair verfolgte hier ein etwas anderes Spielprinzip. Der Protagonist, der tapferen Ritter Dirk, hat so gar nichts pixeliges mehr an sich. Das komplette Spiel besteht vielmehr aus einem Zeichentrickfilm, bei dem der Spieler an bestimmten Schlüsselszenen eingreifen muss. Auf den ersten Blick erinnert Dragon´s Lair sehr stark an einen Cartoon, im Stile eines klassischen Disney-Films und das ist auch kein Zufall, denn für die grafische Umsetzung zeichnete der ehemalige Disney-Zeichner Don Bluth verantwortlich.
Die Interaktionsmöglichkeiten im eigentlichen Spiel fielen dann, wie bereits erwähnt, eher minimal aus. Mithilfe von rudimentären Joystick-Bewegungen konnte man an einigen Stellen des Films eingreifen, um zum Beispiel Prinzessin Daphne in letzter Minute aus den Fängen des bösen Drachens zu befreien. Dabei machten unzählige Fallen Ritter Dirk das Leben schwer und forderten vom Spieler vor allem eins, ein schnelles Reaktionsvermögen (und viel Kleingeld für den Automaten). Entfernt vergleichbar ist dieses Spielprinzip mit Quicktime-Events in aktuellen Videospielen wie God of War oder Heavy Rain. Der eigentliche Charme von Dragon’s Lair entfaltete sich aber nicht etwa durch die auch für damalige Verhältnisse recht einfallslose Story, sondern vielmehr durch die beeindruckende Präsentation und das ungewöhnliche Spielerlebnis. Der Spieler wurde regelrecht in den Zeichentrickfilm hineingezogen und war dafür verantwortlich, Dirk vor drohenden Gefahren zu beschützen und unbeschadet zu seiner holden Maid zu geleiten. So konnte Dragons Lair trotz der offensichtlichen spielerischen Mängel überzeugen und entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem Hit in den Spielhallen weltweit. Dragon´s Lair hatte einfach Klasse und Stil.
Aber wie das so ist, wenn ein Spiel Videospiel-Geschichte schreibt und kommerziell einschlägt wie eine Bombe, gibt es unzählige Umsetzungen für andere Plattformen. Unter anderem erschienen von Dragon´s Lair damals mehr oder weniger gelungene Portierungen für den Amiga, das SNES und das Sega Mega-CD. Ich selbst habe mir (das bombastische Original immer vor Augen) vor einigen Jahren in einem Anfall von Nostalgie die Umsetzung für den Game Boy aus dem Jahre 1990 gekauft, und war in vielerlei Hinsicht… nun, drücken wir es mal so aus, erstaunt.
Mario für Arme
Ja wirklich, es gab tatsächlich eine Dragon´s-Lair-Umsetzung für den Game Boy. Aber fangen wir ganz von vorne an: Im Titelscreen habt ihr die Möglichkeit, die Musikuntermalung ausschalten und die Spielgeschwindigkeit entweder auf “Low” oder “Fast” einzustellen. Soweit, so gut. Doch nachdem man diese Auswahl bestätigt, kommt schon die erste Überraschung. Unser tapfere Ritter findet sich völlig unbewaffnet, nicht etwa in einem interaktiven Film, sondern in einem sehr gewöhnlichen Jump-and-Run-Abenteuer wieder.
Naja, bei den limitierten, technischen Möglichkeiten des Game Boys ging ich auch nicht ernsthaft davon aus, einen spielbaren Zeichentrickfilm vorzufinden, aber man wird ja wohl noch mal träumen dürfen. Zu Beginn darf man dann wählen, in welche Richtung Dirk laufen soll. Soweit nicht ungewöhnlich, für ein Spiel dieser Art. Im weiteren Verlauf des Abenteuers bekommt man es dann mit den obligatorischen, schwebenden Plattformen zu tun. Die Gegnerschar setzt sich größtenteils aus Wildschweinen, Rhinozerossen und herumstaksenden Skeletten zusammen, die euch das Leben (neben der ungenauen Steuerung) gehörig schwer machen. Schließlich habt ihr ja keine Waffe, mit der ihr euch zur Wehr setzen könnt. Ab und an darf man zudem in Loren durch karge Landschaften flitzen und (man glaubt es kaum) sogenannte „Lifestones“ einsammeln, die nicht nur euren Highscore in die Höhe treiben, sondern das Spiel nach 194 Items auch automatisch beenden. Ja, ihr habt richtig gelesen. Wer genug Geduld aufbringt und alle Items im Spiel aufsammelt, wird damit belohnt, dass das Spiel mit einem schnöden „Congratulations-Bildschirm“ abrupt endet. Einen epischen Endkampf gegen den Drachen, oder wenigstens einen scrollenden Abspann sucht man bei dieser Umsetzung vergeblich. Meine Theorie hierzu besagt, dass die Entwickler vermutlich nicht sehr scharf darauf waren, namentlich in diesem Spiel verewigt zu werden. Aber wer könnte es ihnen verdenken?
Aber bis zu diesem vorzeitigen Ende des Spiels habe ich ehrlich gesagt nicht durchgehalten. Ich habe die Flinte, oder besser gesagt, Dirks nicht vorhandenes Ritterschwert, schon viel früher ins Korn geworfen.
Euer Held startet mit 10 Leben und verfügt nicht mal über eine Energieanzeige, denn er hält trotz Ritterrüstung nicht allzu viel aus. Ein Feindkontakt, oder ein unbedachter Sprung, kostet Ritter Dirk sofort ein Leben. Ganz nach dem Motto „Es lebe der Instant-Kill“. Energiebalken sind ja auch etwas für Weicheier. Dies hat eben nur den Haken, dass ihr auf diese Art und Weise dem Game-Over-Screen schneller näher kommen werdet, als euch lieb ist. Ich für meinen Teil hatte beim Zocken öfters die Entwickler vor Augen, die sich vor Schadenfreude ins Fäustchen lachen. Frustrierender gehts kaum.
Schlimmer gehts immer
Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, bewegt sich unser Held auch noch träger als eine gewöhnliche Weinbergschnecke und so kriecht ihr von Screen zu Screen und sterbt selbst dann, wenn Dirk auch nur eine Sekunde zu früh von seiner Lore springt und versehentlich auf die Schienen gerät. Solch unverhoffte Bildschirmtode lösten bei mir immer wieder hysterische (Verzweiflungs-)Lachanfälle aus.
Wenn sich Dirk in der GameBoy-Version schon auf die Spuren von Mario begibt, sollte er natürlich auch wie der Klempner springen können und genau diese nicht vorhandene Fähigkeit eurer Spielfigur, schraubt das Frustpotential dieser Umsetzung in ungeahnte Höhen. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Steuerung aufgrund ihrer Ungenauigkeit dermaßen mies ausgefallen ist, dass das Spiel quasi unspielbar wird. Zusammen mit der schneckenartigen Fortbewegung des Helden ergibt dies eine wirklich ungenießbare Mischung.
Für eure Spielfigur stellt fast alles eine tödliche Gefahr dar. Egal ob Stacheln, die unverhofft aus dem Boden schießen und euch aufspießen, mit Wasser gefüllte Gräben, umherflatternde Harry-Potter-Hüte (ja, wirklich!), und und und. Ich könnte die Liste noch endlos weiterführen. Pixelgenaue Sprünge sind in diesem Spiel einfach unerlässlich, doch dieses Vorhaben entpuppt sich schon bald als reines Glücksspiel. Schuld daran ist erneut die miese Steuerung. Habt ihr tatsächlich mal ein paar Screens heil überstanden und segnet dann das Zeitliche, müsst ihr netterweise nicht wieder von ganz vorne anfangen, sondern ihr werdet an den Anfang des jeweiligen Spielabschnitts zurückkatapultiert, in dem ihr draufgegangen seid. Einer der wenigen positiven Aspekte des Spiels. Auf diese Weise spart ihr euch wenigstens ein paar Frustschreie, bis ihr schlussendlich aufgebt.
Hier spielt die Musik
Wäre nicht der erträgliche Soundtrack, würde man das Spiel wohl sofort in die Ecke pfeffern oder gar rituell auf dem Scheiterhaufen verbrennen, um die Erinnerungen daran aus den Tiefen seines Unterbewusstseins zu verdrängen. Dabei ist die Musik wahrlich keine Meisterleistung. Sie dudelt eben nur im Hintergrund vor sich hin, ohne dabei auf die Nerven zu gehen. Die grafische Umsetzung ist zweckdienlich, allerdings sucht man die Liebe zum Detail hier vergeblich, mit der man im Spielhallen-Original noch so verschwenderisch belohnt wurde. Oftmals erkennt man noch nicht einmal den Gegner oder das Hindernis, das Dirk gerade den Garaus gemacht hat.
Fazit: Für frustresistente Hardcore Gamer entpuppt sich die GameBoy-Version von Dragon’s Lair als absolute Herausforderung. Alle anderen sollten aber die Finger davon lassen, es sei denn, ihr seid lieber auf der Suche nach dem Spielspaß, anstatt nach der Prinzessin. Schon die SNES-Umsetzung des bahnbrechenden Originals war miserabel und wies ähnliche Mängel auf. Jedoch konnte das Spiel zumindest in punkto Grafik punkten. Die GameBoy-Variante ist in dieser Hinsicht aber um einiges besch…., Verzeihung, bescheidener. Eigentlich würde ich diesem Dragon’s Lair-Ableger gerne null von fünf Sternen geben. Ehrlich, das hätte diese Gurke wirklich verdient. Den einen Stern, den der Titel von mir aber schlussendlich bekommt, vergebe ich nicht aus Mitleid oder nostalgischer Verblendung, sondern wegen dem mir nicht sauer aufstoßenden Hintergrundgedudel und den einigermaßen fairen Rücksetzpunkten. Ich kann euch aber nur warnen. Solltet ihr auf dem Flohmarkt über dieses Modul stolpern, dann macht einen weiten Bogen darum. Es sei denn, ihr seid auf der Suche nach der ultimativen Herausforderung für eure Nerven. Ich für meinen Teil bin sehr stolz, dass ich meinen inneren Schweinehund überwunden habe und dem Spiel zumindest eine Chance gegeben habe. Ansonsten wäre mir wohl eine der größten Spielspaßgurken aller Zeiten entgangen.