Mini-Konsolen gibt es wie Sand am Meer. Von gelungenen Umsetzungen, wie dem Nintendo Classic Mini: SNES, bis zu eher lieblosen Varianten, wie beispielsweise der PlayStation Mini, ist das Spektrum an erhältichen Geräten mittlerweile enorm. Nachdem die große Welle der Mini-Konsolen eigentlich langsam abebbt, schleicht sich nun “klammheimlich” ein echtes Highlight auf den europäischen Markt. Die Rede ist von der PC Engine Mini aka TurboGrafx16 Mini aka Core Grafx Mini.
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die Geschichte der japanischen Kult-Konsole PC Engine faszinierend und kompliziert zugleich. Faszinierend deshalb, weil der 8-/ 16-Bit-Zwitter dank seiner Hardware-Power damals (zumindest in Japan) eine veritable Konkurrenz zum SNES bzw. Mega Drive darstellte und kompliziert, weil im Laufe der Jahre über 10 verschiedene Hardwarevarianten (mit unterschiedichen Namen) und unzählige Erweiterungen, wie beispielsweise einem CD-Laufwerk auf den Markt kamen. Fakt ist, für die PC Engine erschienen jede Menge erstklassige Spiele, von denen ein Großteil hierzulande nahezu unbekannt ist. Aus der Perspektive eines Besitzers einer PC Engine, wie mir, ist das natürlich ein sehr bedauernswerter Zustand. Da die Core Grafx Mini (so heißt die europäische Variante) auch diesmal nicht den offiziellen Weg nach Deutschland geschafft hat, habe ich mir kurzerhand ein Exemplar über ein englisches Online-Versandhaus besorgt. Jetzt wird es aber Zeit für meinen kurzen Erfahrungsbericht.
Pro
Zuallererst muss man anerkennen, dass Konami (in Kooperation mit dem japanischen Hardware-Experten Hori) eine wirklich schicke Miniaturausgabe der PC Engine kreiert hat. Die optische Anmutung ist top und die kleine Konsole fühlt sich ganz hervorragend an. Auch der beigelegte Controller ist sehr hochwertig verarbeitet und entspricht in den Ausmaßen dem Original-Pad. Die Spielauswahl ist mit 57 Games (darunter einige Duplikate in japanischer und englischer Sprache) durchaus umfangreich und vor allem qualitativ hochwertig. Die Anzahl an mittelmäßigen Spielen hält sich wirklich stark in Grenzen (z.B. The Kung Fu oder J. J. & Jeff). Dafür wurden etliche Klassiker, wie die Bonk- oder Bomberman-Reihe gleich mit mehreren Teilen bedacht. Auch aufwendige CD-Spiele, wie Lords of Thunder oder Seirei Senshi Spriggan mitsamt ihren minutenlangen Anime-Intros haben es in die Spielebibliothek geschafft. Sogar Games, die im Original auf dem Gebrauchtmarkt mittlerweile nahezu unerschwinglich geworden sind, wie Castlevania: Rondo of Blood oder das spektakuläre Shoot-em-Up Ginka Fukei Densetsu Sapphire stehen auf der PC Engine Mini zur Auswahl. An der Spieleauswahl kann ich somit (fast) nichts aussetzen. Der Unterschied zu anderen erhältlichen Emulator-Konsolen wird aber erst auf den zweiten Blick deutlich. Hiermit meine ich vor allem die gelungene Präsentation und die intuitive Menüführung. Noch nie habe ich bei einer Mini-Konsole so liebevolle animierte Hintergründe gesehen. So schiebt sich beispielsweise eine virtuelle HuCard oder CD ins angedeutete Laufwerk am oberen Bildschirmrand, sobald ihr euch für ein Spiel entscheidet und vieles mehr. Ihr habt zudem die Auswahl zwischen verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten (4:3, 16:9, hochgerechnet, mit Scanlines) und diversen Hintergründen und Rahmen. Natürlich wird zu jedem Spiel auch das Original-Cover angezeigt und sogar an eingescannte Anleitungen wurde gedacht. Eine flexible Speicherfunktion (4 Slots pro Spiel) ist selbstverständlich ebenfalls vorhanden. Zusammen mit der einwandfreien Emulation der Spiele ergibt das ein rundes Paket.
Contra
Ein wenig Schatten habe ich dann aber doch gefunden. So finde ich es beispielsweise sehr schade, dass gerade Hideo Kojimas frühes Meisterwerk Snatcher nur in der japanischen Fassung vorliegt. Bei einem textlastigen Adventure wie diesem, stellt diese Tatsache für westliche Gamer leider ein KO-Kriterium dar. Die englischsprachige Lokalisierung des Spiels (damals erschienen für das Mega CD) wäre sehr wünschenswert gewesen. Zudem vermisse ich doch schmerzlich so beliebte Klassiker, wie Street Fighter 2, Parodius, Devils Crush oder Gate of Thunder. Schuld am Fehlen dieser Spiele sind aber sicherlich die hohen Lizenzkosten der jeweiligen Rechteinhaber. Aber das ist natürlich alles Jammern auf hohem Niveau. Das größte Manko für Otto Normal-Retrogamer wird der relativ hohe Anschaffungspreis von ca. 110 Euro (+ Versandkosten aus UK oder Frankreich) sein. Möchte man die zahlreichen Multiplayer-Titel dann noch zusammen mit einem Kumpel spielen, kommen nochmal ca. 30 Euro für einen zweiten Controller hinzu. Ein nicht ganz billiger Spaß für Spiele, die man ehrlichgesagt (nicht ganz legal) auch kostenlos am PC oder dem Raspberry Pi spielen könnte. Hierbei begibt man sich aber natürlich in eine rechtliche Grauzone.
Fazit: Für mich, als bekennenden Fan der japanischen Kult-Konsole, ist die PC Engine Mini natürlich ein hübsches Sammlerstück, das bestimmt fabelhaft in meinem kleinen “Nerd-Regal” aussehen wird ? Die bereits erwähnte, liebevolle Präsentation und die gelungene Spieleauswahl tun dabei ihr Übriges. Obwohl ich die meisten Games bereits im Original besitze, genieße ich doch den Luxus, die kleine Konsole ohne weitere Adapter oder Upscaler schnell per HDMI-Kabel an meinen Fernseher anschliessen zu können. Die Bildqualität bzw. Darstellung der Spiele ist über jeden Zweifel erhaben und ich musste erneut feststellen, dass viele Spiele der 8- bzw. 16-Bit-Ära wirklich sehr gut gealtert sind. Eine Eigenschaft, die man Spielen der frühen 3D-Ära nicht immer zuschreiben kann. Wie ihr vielleicht schon ahnt, halte ich die PC Engine Mini persönlich für die absolute Königin der bisher erschienenen Mini-Konsolen. Wer die weiße Kiste (und vor allem die erschienenen Spiele) damals schändlicherweise ignoriert haben sollte, muss deshalb spätestens jetzt zugreifen.