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Cuphead

(Studio MDHR, 2017)

Viele hätten wohl nicht mehr daran geglaubt, aber das seit einer halben Ewigkeit angekündigte Zeichentrick-Spektakel Cuphead hat tatsächlich noch den Weg auf die Xbox One und den PC geschafft!

Die Handlung spielt bei einem so audiovisuellen Spiel wie Cuphead zwar eine untergeordnete Rolle, sei der Vollständigkeit halber aber zumindest erwähnt. Der namensgebende „Tassenkopf“ Cuphead ist dem Glücksspiel nicht abgeneigt und verzockt im Casino kurzerhand seine Seele. Aber nicht an irgendjemanden, sondern dummerweise an den Teufel persönlich und mit dem ist bekanntermaßen nicht gut Kirschen essen. Um aus dieser Bredouille zu entkommen, muss sich Cuphead wohl oder übel auf einen riskanten Deal einlassen.

Allein oder zu zweit (dann zusammen mit Cupheads Bruder Mughead) macht ihr euch deshalb auf, die Schuldscheine anderer Glücksspieler einzusacken, um Luzifer schnellstmöglich zu besänftigen. Was passiert, wenn ihr es nicht schafft, die Scheine aufzutreiben, könnt ihr euch sicherlich denken. Eine kurze aber durchaus launige Einleitung für ein Run-and-Gun der anspruchsvollen Sorte.

Bereits nach kurzem Anspielen werdet ihr feststellen, dass man Cuphead ohne Übertreibung als Gesamtkunstwerk bezeichnen darf. Dank des einzigartigen Designs hebt sich das Game wohltuend von der Konkurrenz ab und man merkt dem Spiel in jeder Hinsicht an, dass die Macher die lange Entwicklungszeit dazu genutzt haben, ein bis ins letzte Detail durchgestyltes Spiel zu kreieren.

Style over Substance?

Die aufwendig handgemalte Grafik im Stile alter Walt Disney Filme (wie „Oswald The Lucky Rabbit“) oder den Cartoons der Fleischer Studios sucht ihresgleichen und ist dabei herrlich abgedreht. Wann habt ihr beispielsweise zum letzten Mal gegen Kröten, Kartoffeln oder Hummeln gekämpft? Witzig ist auch der alte Seebär, der Brutus, dem Erzfeind von Popeye, zum Verwechseln ähnlich sieht. Echt irre, welche Kreativität hier an den Tag gelegt wurde, auch wenn sich die Programmierer natürlich kräftig bei den bereits erwähnten Vorlagen bedient haben. Die Animationen sind dabei immer flüssig und die Framerate bleibt stabil. Am liebsten möchte man sich die Screens ausdrucken und an die Wand hängen. Aber was nützt die hübscheste Optik, wenn das eigentliche Spiel keinen Spaß macht?

Alles muss, nichts kann

Kein Grund zur Sorge, denn auch in Sachen Gameplay geht Cuphead etwas andere Wege. Im Gegensatz zu anderen klassischen Run-and-Guns, wie Metal Slug oder Contra, wo ihr euch zunächst durch endlose Gegnerscharen bis zum Bossgegner durchkämpfen müsst, tretet ihr in Cuphead zumeist direkt gegen den Obermotz an. Diese Bosse verwandeln sich nach und nach, sodass ihr euch immer neue Taktiken einfallen lassen müsst, bis die Monster schlussendlich den Löffel abgeben. Diese verkürzte Form des Spielprinzips mag nicht jedermanns Sache sein, mir hat es aber riesigen Spaß gemacht, mich durch die einzelnen Phasen zu kämpfen, auch wenn mich das etliche Nerven gekostet hat. Um die anspruchsvollen Boss Fights etwas aufzulockern wurden hier und da ein paar Flug- und Hüpf-Passagen eingestreut.

Jazz lebt!

Neben der spektakulären Optik hat das Entwicklerstudio MDHR glücklicherweise den Soundtrack nicht vernachlässigt. Die jazzigen Melodien passen ganz wunderbar zur nostalgischen Spielerfahrung. Damit das Ganze nicht zu modern wirkt, wurden übrigens ein paar nette Knistereffekte eingefügt, wie man sie von alten Schallplatten her kennt. Naheliegend also, dass Fans den Soundtrack zum Spiel auf insgesamt vier(!) Vinyls käuflich erwerben können (bei iam8bit.com). Ob einem dieser Spaß aber happige $100 Wert ist, muss jeder für sich entscheiden.

Ein Wort noch zum angesprochenen Thema „Frust“. Wer Cuphead auf „Regular“, also dem höchsten der zwei Stufen spielt, merkt sofort, dass das Spiel keine Anfängerveranstaltung ist. Wer hier nicht über exzellente Reflexe verfügt und nicht schon ein paar Spiele dieser Art gemeistert hat, wird mit Sicherheit tausend Tode sterben. Versprochen! Die zusätzlichen Waffen, die man für die erspielte Kohle im Spiel beim Waffenhändler kaufen kann, helfen da übrigens nur bedingt. Gute Nerven und Durchhaltevermögen sind also eine Grundvoraussetzung, um wirklich Spaß an Cuphead zu haben.

Fazit: Cuphead bietet eine herrliche frische Perspektive auf das Run-and-Gun-Genre und erstrahlt dabei in einem Look, der altmodischer nicht sein könnte. Es fängt die Atmosphäre der klassischen Cartoons perfekt ein und zieht den Spieler direkt in das Geschehen. Wer bereits dachte, dass dieses altehrwürdige Spielprinzip langsam ausgelutscht sei, wird eines Besseren belehrt. Für 20,- Euro bekommt ihr Spielspaß für Tage und Wochen. Wie bereits angesprochen fordert euch das Spiel alles ab, was weniger frustresistente Spieler schnell vor Wut in das Pad beißen lässt, Auch zusammen mit einem Mitspieler lässt sich Cuphead nicht wesentlich schneller bezwingen, aber dafür ist das Glücksgefühl nach einem erfolgreich absolvierten Spielabschnitt umso größer. Ich habe mich sofort in Cuphead verliebt und daher gibt’s von mir (mit Verweis auf die kleinen Mankos) vier von fünf Tassen. Wenn sich der Entwickler / Publisher jetzt noch dazu entscheiden würde, eine Retail-Version mit Anleitung und Verpackung nachzuschieben, würde ich glatt noch die Bestwertung vergeben.

 

 

 

 

 

 


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