Game Boy Jump and Run Konsole Spieletests

Bart Simpson’s Escape from Camp Deadly

Bei einigen Videospielen weiß man noch sehr genau, wo und wann man sie gekauft hat. Wie das Wetter an diesem Tag war und wie der Verkäufer aussah, der einem das gute Stück überreicht hat. Zumindest geht mir das so. Der Grund, warum man sich solche eigentlich völlig unwichtigen Informationen merkt, ist wohl, dass man mit diesem speziellen Game anschließend eine Menge Spaß hatte und man sich diese positiven Erinnerungen deshalb immer wieder gerne ins Gedächtnis ruft. Bei einigen Spielen hat dieses Phänomen aber ganz andere Ursachen….

Es war einmal

Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen warmen Pfingsttag. Es muss so 1991 gewesen sein. Ich war 15 Jahre alt und ich hatte gerade Schulferien. Herrlich! Als mir mein Vater dann endlich mein monatliches Taschengeld inklusive Ferienbonus überreichte, konnte ich es kaum abwarten, die Moneten “sinnvoll” anzulegen. Ihr denkt jetzt sicher, dass ich die paar Kröten schnurstracks in mein Sparschwein gesteckt habe oder zur Bank gerannt bin, um etwas für meine private Altersversorgung zu tun. Hmm, im Nachhinein gesehen wären diese Alternativen wirklich sinnvoller gewesen.

OK, aber ich will euch nichts vormachen. Ich schwang mich aufs Fahrrad, schnappte mir meinen besten Kumpel und wir radelten direkt zum nächstgelegenen Videospiele-Laden Ich hatte zwar im Vorfeld genauestens die aktuellen Spieletests in meiner Lieblingszeitschrift Videogames verfolgt, konnte mich aber trotzdem nicht für ein bestimmtes Game festlegen. Ich wusste nur, dass es auf jeden Fall ein Spiel für meinen niegelnagelneuen Game Boy sein sollte. Zu dieser Zeit gab es zum Beispiel das fabelhafte Actionspiel Probotector von Konami oder ein ebenfalls sehr gut bewertetes Jump-and-Shoot mit meinem Lieblings-Superhelden Batman in der Titelrolle. Aber was war das? Im Laden angekommen entdeckte ich ganz hinten im Regal ein Spiel mit einem dicken, fetten Simpsons-Logo darauf. Ihr müsst wissen, dass zu dieser Zeit die Sendung mit der gelben Chaos-Familie zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Natürlich fand ich die Serie fabelhaft und dachte mir, dass ein Spiel mit den Simpsons mindestens genauso gut sein musste. Die Bilder und der kurze Beschreibungstext auf der Rückseite der Schachtel versprachen zudem ein launiges Jump-and-Run im Stil von Super Mario und Co. Achtung Spoiler! Diese naive Einschätzung sollte ich wenig später noch bitterlich bereuen. Naja, machen wir´s kurz. Ich schnappte mir die Packung mit der vielversprechenden Aufschrift “Bart Simpson´s Escape from Camp Deadly” und ging damit zur Kasse. Spätestens das höhnischen Grinsen des Verkäufers hätte mich endgültig misstrauisch machen sollen (oder die dicke Staubschicht, die auf der Schachtel lag). Ich schreibe hier ausdrücklich “hätte”..

Natürlich hielt mich jetzt nichts mehr. Wir fuhren zu mir nach Hause, packten das Game aus, schoben es in den Modulschacht meines Game Boys und starteten das Spiel. Ab diesem Moment nahm das “Grauen” seinen Lauf.

Ernüchterung kehrt ein

Kommen wir nun zum Spiel selbst. Nach einem netten Intro und der bekannten Simpsons-Melodie geht´s direkt ins Spielgeschehen. Daraufhin wird man erstmal von dem unfreundlichen Chef des Ferienlagers Ironfist Burns (es handelt sich hierbei wohl um einen direkten Verwandten des bekannten Atomkraftwerk-Leiters Montgomery Burns) empfangen. Dieser macht dem Spieler (in Person von Bart Simpson) auch unmissverständlich klar, dass die nächsten Wochen im Camp Deadly kein Vergnügen werden dürften. Aber jetzt ging´s endlich los. Zu diesem Zeitpunkt war ich von der Grafik des Games übrigens noch recht angetan… zumindest bis ich sie in Bewegung sah. Für GameBoy-Verhältnisse sahen die Spielfiguren sogar ganz nett aus. Immerhin konnte man den grauen, hüpfenden Pixelhaufen durchaus als Bart identifizieren. Aber sobald ich die ersten ruckeligen Meter im Spiel zurückgelegt hatte, wurde mir klar, dass ich mit dem Kauf dieses Moduls einen grossen Fehler begangen hatte.

Die komischerweise alle gleich aussehenden 0815-Gegner (sollen wohl Camp-Mitarbeiter oder irgend etwas in der Art darstellen) strömen ca. eine Sekunde nach Spielbeginn zahlreich und aus allen Richtungen auf den Spieler ein. Nicht nur, dass diese Mistkerle wesentlich schneller sind als die Spielfigur, nein mit Barts vorerst einzige Waffe, einige Spuckekügelchen, können diese Gegner eher schlecht als recht aufgehalten werden. Da bleibt nur eins: Springen und den fiesen Typen möglichst geschickt ausweichen. Und da kommen wir auch schon zum nächsten Manko des Spiels – die Steuerung. Diese kann ich einfach nur als grauenhaft bezeichnen. Bart reagiert sehr ungenau und langsam auf die Impulse des Spielers. Springt man zum Beispiel über einen Abgrund ist es extrem wichtig, millimetergenau den Absprungzeitpunkt zu erwischen. Schafft man dieses Kunststück nicht, verabschiedet sich Bart mit einem knarzigen “Ay Caramba!” oder “Eat my shorts!” von seinem Bildschirmleben. Rechnet man dann damit, an dem Punkt des Spiels weiterzumachen, an dem man sein Leben verlor, hat man sich geschnitten. Rücksetzpunkte oder Continues? Fehlanzeige! Auch Speicherpunkte oder zumindest eine Passwortfunktion sucht man vergebens. Das ging auch zu dieser Zeit schon besser.

Spielmechanik aus der Hölle

Im Laufe des Spiels bekommt man dann immerhin noch effektivere Waffen wie Bumerangs oder hilfreiche Goodies wie eine Football Ausrüstung, mit deren Hilfe man die anrollenden Gegner einfach zur Seite schubsen kann. Schafft man es dann trotz aller Hindernisse bis zum Schluss eines der gerade mal vier Levels, ist es absolut ausreichend einfach über die saudoofen Endgegner zu hüpfen und zum Levelende zu rennen. Dieser simple Trick funktioniert witzigerweise bei fast allen Boss- oder Zwischengegnern. Als Begründung für diesen Spielspaßkiller kann ich mir nur vorstellen, dass die Entwickler Mitleid mit den Spielern hatten und der jungen Zielgruppe deshalb unnötige Strapazen beim Bezwingen von unfairen Endbossen ersparen wollten. Deshalb würde ich diesen absurden Aspekt des Spiels sogar positiv bewerten. Wie ihr euch sicher denken könnt, sind die Animationen der Spielfiguren einfach lächerlich und der sich ständige wiederholende Soundtrack ist irgendwann einfach nur noch unerträglich. Deshalb will ich meinen Test an diesem Punkt abbrechen und zum finalen Todesstoss ansetzen.

Fazit: Selten habe ich ein mieseres Jump-and-Run gespielt und selten wurde ich von dem ersten Eindruck eines Spiels mehr enttäuscht, als bei Bart´s Escape from Camp Deadly. Zu unausgegoren wirkt das Spieldesign und zu dahingeschludert fällt der Gesamteindruck aus, den dieses Machwerk bei mir hinterließ. Aus heutiger Sicht sehe ich das Ganze allerdings mit einem Augenzwinkern. Schließlich sind es genau solche Kindheitserlebnisse, die einen jungen Teenager wie mich damals reifer und etwas misstrauischer gegenüber Lizenversoftungen dieser Art werden ließen. Die Strategie der meisten Spielehersteller hat sich in diesem Punkt in den vergangenen Jahren nicht wesentlich geändert. Es gilt nach wie vor: Viel Geld ausgeben für die Lizenz und umso weniger Aufwand für das eigentliche Produkt. Somit hatte das Spiel immerhin so etwas wie einen pädagogischen Effekt für mich. Der Prozess des Erwachenwerdens ist eben mitunter hart und schmerzvoll 😉

Das könnte Sie auch interessieren.