“Dumm gelaufen!“ könnte man sagen. Nach einem missglückten Antimaterie-Experiment landet unser Protagonist, Professor Lester Knight Chaykin, unversehens in einer lebensfeindlichen Parallelwelt. Nichts erinnert hier in irgendeiner Weise an die gute alte Erde. Die gesamte Hintergrundgeschichte des Spiels wird in einem minutenlangen Intro präsentiert, welches durch die verwendete Polygontechnik und die Echtzeit-Animationen äußerst realistisch wirkt. Anfang der 90er-Jahre waren solch lebensecht animierte Personen und Gegenstände nicht an der Tagesordnung. Cinematisch inszenierte Spielszenen sind heute natürlich Standard, als das Spiel aber damals erstmals erschien, sorgten die kinoreifen Nahaufnahmen und Kamerafahrten reihenweise für heruntergeklappte Kinnladen.
Auf zu fremden Welten
Der verblüffte Professor findet sich urplötzlich, samt einem Teil seines Labors, in einem großen Wasserbassin wieder. Und sofort müsst ihr ums Überleben kämpfen. Wer jetzt nicht schnell den Joystick oder das Steuerkreuz nach oben drückt, um aus dem Wasserbecken aufzutauchen, wird von Schlingpflanzen in die Tiefe gezogen und schon heißt es das erste Mal „Game Over“. Bis ich beim ersten Anspielen geschnallt hatte, dass das Intro nun vorbei ist und das eigentliche Spiel beginnt, musste ich tatsächlich ein paar Bildschirmtode sterben. Mit einem langwierigen Tutorial, wie heutige Spiele, hält sich Another World eben nicht auf. Ihr seid sofort mitten drin im Geschehen.
Anders als bei anderen Spielen dieser Ära, gibt es bei Another World kein Scrolling, wofür der Amiga dank seiner speziellen Hardware-Architektur eigentlich bestens geeignet gewesen wäre. Stattdessen lauft ihr ganz klassisch von Screen zu Screen. Genau wie im Vorspann, glänzt das Spiel dabei mit seinen lebensechten Animationen. Sowohl der Spielcharakter, wie auch die Gegner und Hintergründe, sind wunderschön animiert. Aus heutiger Sicht wirkt die Grafik natürlich etwas texturarm und kantig, aber Anfang der 90er-Jahre waren die Spieler eben noch nicht so verwöhnt, wie heutzutage.
Wie bereits erwähnt, befinden wir uns auf einem feindseligen Planeten. Gleich nach dem ersten (sehr unsanften) Kontakt mit den Bewohnern dieser Welt, wird euch klar, dass ihr hier nicht allzu willkommen seid. Nahezu Alles in dieser fremdartigen Welt trachtet euch nach dem Leben und wenn ihr nicht gerade von giftigen Raupen, zähnefletschenden Raubkatzen oder den bösartigen Bewohnern des Planeten auf’s Korn genommen werdet, droht Ihr mit Sicherheit gleich in irgendwelche Abgründe zu stürzen oder von herabfallenden Steinen erschlagen zu werden. Zum Glück trefft ihr gleich zu Beginn des Spiels auf einen außerirdischen Leidensgenossen, der euch bei eurem Überlebenskampf Gesellschaft leistet. Geteiltes Leid, ist eben halbes Leid. Um den zahlreichen Todesfallen zu entkommen, hilft oft nur stures Auswendiglernen und Herumprobieren. Das schmälert den Spielspaß natürlich ein wenig.
Abgecheckt von Tech-Nick
Die eigentliche Sensation dieses Spiels ist aber wohl die Tatsache, dass es von einer einzigen Person erdacht, designt und programmiert wurde. So etwas wäre heutzutage bei einem Vollpreis-Titel absolut undenkbar. Der französische Entwickler Eric Chahi werkelte zwei Jahre lang, Tag und Nacht, quasi im Alleingang an der Verwirklichung seiner Vision, die sicherlich stark von Prince of Persia (Animationen) und von Dragons Lair (kinoreife Präsentation) inspiriert wurde. Der größte Nachteil der aufwändigen Inszenierung war aber natürlich der enorme Speicherhunger. Um diesem Problem zu entgehen, musste Chahi ein bisschen tricksen. So kam er beispielsweise auf die Idee, nur die Umrisse der Animationen zu speichern. So konnte er ein filmähnliches Spielerlebnis erzielen, das insgesamt auf lediglich 2 Disketten passte. Dadurch wurde dem Spieler nerviges Diskettenwechseln erspart und die Ladezeiten hielten sich in Grenzen. Auch die düstere musikalische Untermalung und die geschickt eingesetzten Soundeffekte tragen ihren Teil zur dichten Atmosphäre bei. Another World versuchte bereits damals, die Lücke zwischen Kino und Computerspiel zu schließen, was trotz technischer Limitationen erstaunlich gut gelang.
Fan Service
Der direkte Nachfolger zu Another World hört auf den Namen Heart of the Alien (erschien 1994 exklusiv für Sega Mega CD). Die Story knüpft direkt an Another World an. Diesmal steuert ihr den Alien Buddy von Professor Chykin aus dem direkten Vorgänger. Erzählt wird die Geschichte in Flashbacks, in denen ihr erfahrt, wie euer Helfer in seine missliche Lage in Another World geraten ist. Kein Spiel, das man unbedingt gespielt haben muss, aber Fans sollten ebenfalls einen Blick riskieren. Wo wir gerade von Flashbacks sprechen: Unbedingt und ausdrücklich möchten wir euch an dieser Stelle das Spiel Flashback aus dem Jahre 1992 empfehlen (erschienen u.a. für Amiga, PC und SNES). Ein sehr ähnliches Spielprinzip, mit fast identischer Aufmachung lassen vermuten, dass es sich hierbei um einen direkten Nachfolger handelt, was allerdings nicht der Fall ist. Flashback hat eine komplett eigenständige Story und spielt in einem unterschiedlichen Universum. Zudem steckt ein anderer Entwickler hinter dem Spiel. Nur der Publisher, nämlich Delphine Software, ist der Selbe, wie bei Another World.
Anniversary Edition
Die unlängst erschiene Anniversay Edition (für PC, PS3, PS4, Xbox One, Wii U, PSV und 3DS) bietet zunächst einmal eine zeitgemäße HD-Optik. Auf Knopfdruck habt ihr die Möglichkeit, zwischen der Original-Grafik und der HD-Version hin und her zu schalten. Das alte Passwortsystem ist glücklicherweise einem zeitgemäßen Speichersystem gewichen und beim Sound hat man nun die Wahl, zwischen dem remasterten Original-Soundtrack und einer neu arrangierten Musikuntermalung (ähnlich wie z.B. bei der Version für das Sega Mega CD). Auf der PS3 / PS4, sowie auf der Xbox One gibt es nun auch ein Belohnungssystem und Ihr habt ab sofort die Wahl, zwischen drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Natürlich ist auch das Original Amiga-Rom enthalten, welches via kostenlos downloadbaren Amiga-Emulator gezockt werden darf. Insgesamt sind die Änderungen der Anniversary Edition aber eher kosmetischer Natur, wodurch das Spiel aus heutiger Sicht natürlich etwas altbacken daher kommt.
Fazit: Für mich ist und bleibt Another World ein absolutes Highlight der Amiga-Ära. Besonders der nahtlose Übergang zwischen Story und Gameplay (ohne den heutzutage so gut wie kein Spiel mehr auskommt) hat mich damals in den Bann gezogen und sorgt auch heute noch dafür, dass ich dieses zugegeben kurze Spiel immer wieder gerne zocke. Die angesprochenen Mankos mögen bei heutigen Titeln negativ auffallen, aber bedenkt man das frühe Erscheinungsdatum, kann auch die etwas ungenaue Steuerung verschmerzt werden. Another World war seiner Zeit weit voraus und ist auch heute, dank seiner gleichsam minimalistischen, wie futuristischen Optik, immer noch einen Blick Wert. Echte Retro-Fans müssen dieses Spiel sowieso ihr Eigen nennen. Daher kann ich nur zu einem Urteil kommen: Vier von fünf Laserblastern für Another World! Sollte das Spiel also seinerzeit aus unbegreiflichen Gründen an euch vorbei gegangen sein, kann ich nur empfehlen, schaltet eure Konsole (oder euren PC) ein und ladet euch sofort die Anniversay Edition herunter. Es lohnt sich.