Wer in den 80ern und 90ern fleissiger Leser der damals erhältlichen Spielezeitschriften war, konnte immer mal wieder ein paar Screenshots von Spielen für die japanische Wunderkonsole PC Engine erspähen. Der Zwitter aus 8-Bit Hauptprozessor und 16-Bit Grafikprozessor galt zu dieser Zeit (zumindest in seinem Heimatland) als potenter Mitkonkurrent unter den Platzhirschen auf dem Videospielemarkt – dem Super Nintendo und dem Mega Drive. Letzte Woche wurde in Japan die erste Auflage der Mini-Variante der PC Engine ausgeliefert, für umgerechnet knapp 90 Euro. Vertrieben wird das Gerät vom japanischen Entwickler und Publisher Konami. Aber freut euch nicht zu früh, denn wie schon das Original, wird es leider auch die PC Engine Mini nicht offiziell nach Deutschland schaffen, was in meinen Augen wirklich eine Schande ist.
Aber erlaubt mir zuerst ein paar nostalgische Gedanken: Ich war von den bereits erwähnten Import-Tests und Screenshots seinerzeit so geflasht, dass ich nach langem Sparen (und energischem Betteln bei meinen Eltern) irgendwann tatsächlich eine PC Engine bei einem der zahlreichen Versandhändler orderte. Achtung Spoiler! Ich habe diese Investition nie bereut und die Konsole ist immer noch in meinem Besitz. Bereits das schicke weiße Gehäuse, der an sich schon kleinen PC Engine (erschien später in den USA unter dem Namen TurboGrafx 16) hatte es mir angetan. Zudem schluckte das Gerät keine schnöden Module, sondern sogenannte HuCards. Hierbei handelte es sich um scheckkartengroße Speicherkarten mit einem maximalen Speicherplatz von 20 Mbit. Anfang der 90er-Jahre erschien sogar noch ein separates CD-ROM-Laufwerk für die Konsole, das dank der riesigen Speicherkapazität des neuen Mediums minutenlange Zwischensequenzen, mit jeder Menge Sprachausgabe ermöglichte (zu dieser Zeit eine Sensation).
Neben den technischen Vorzügen musste sich die PC Engine, vor allem was die Spiele anging, wahrlich nicht hinter der prominenten Konkurrenz verstecken. Games, wie Bonk (eine Jump-and-Run-Reihe mit einem charmanten Neandertaler in der Hauptrolle), Bomberman (den Multiplayer-Klassiker dürfte jeder kennen), Lords of Thunder (Shoot-em-Up mit einem grandiosen Heavy-Metal-Soundtrack) oder Ys Book I&II (ein Action-RPG im Zelda-Look) sind nur eine kleine Auswahl an absoluten Top-Titeln, die im Laufe der Jahre für die PC Engine erschienen. Umso erfreulicher wäre es für Retro Gamer hierzulande gewesen, mit der PC Engine Mini nun viele dieser Games nach all den Jahren entdecken zu dürfen. Leider wiederholt sich hier die Geschichte und deutsche Gamer bleiben mal wieder außen vor.
Wie im Hands-On-Video des YouTubers Gregor Kartsios zu sehen ist, scheint Konami mit der PC Engine Mini eine wirklich schöne Neuauflage gelungen zu sein. Das Hauptmenü ist liebevoll gestaltet, die Spiele werden einwandfrei emuliert und die Darstellungsmöglichkeiten (verschiedene Bildformate, Scanlines, Hintergründe, etc.) sind vielfältig. Auch bei den knapp 60 vorinstallierten Spielen handelt es sich, bis auf wenige Ausnahmen, um echte Klassiker, die jeder Retro Gamer einmal gespielt haben sollte. Aufgrund der allgegenwährtigen Corona-Krise wird es aber noch ein paar Wochen / Monate dauern, bis die zweite Charge produziert und ausgeliefert werden kann. Schaut euch bis dahin doch schon mal in den einschlägigen Online-Shops in Japan, USA, Frankreich oder Italien um. Hier solltet ihr in Kürze wieder vorbestellen können.